Immer noch eine unbequeme Wahrheit – Die Zeit läuft

Zum Vergrößern klicken

Gut zehn Jahre sind seit „Eine unbequeme Wahrheit“ vergangen, jener Dokumentation, die dem ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore als Trostpreis für die gestohlene Präsidentschaft den Oscar einbrachte. Damals wie heute versucht Gore auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen, eine Mission, die Gore mit fast klerikalem Eifer rund um die Welt führt, eine endlose Reise, die diese Dokumentation beschreibt.

Webseite: www.paramount.de

OT: An Inconvenient Sequel: Truth to Power - Dokumentation
USA 2016
Regie: Bonni Cohen, Jon Shenk
Länge: 100 Minuten
Verleih: 7. September 2017
Kinostart: Paramount

FILMKRITIK:

Schon vor zehn Jahr sollte es jedem halbwegs vernünftigen Menschen klar gewesen sein, dass der Klimawandel real ist, dass die Temperaturen und damit die Meeresspiegel steigen und das Wetter von zunehmenden Extremen geprägt sein wird. Diese Botschaft zu verbreiten ist seit seinem gescheiterten Versuch, Präsident zu werden, die Lebensaufgabe Al Gores geworden, die er in unzähligen Vorträgen verbreitet. Dass er dabei den ein oder anderen Fakt unklar oder auch falsch wiedergegeben hat, ändert rein gar nichts an der grundsätzlichen Richtigkeit der Aussage, war jedoch gefundenes Fressen für Gores Kritiker und jenen Kreis unverbesserlicher Skeptiker, die den Klimawandel bestreiten.

Zu denen zählt tragischer Weise auch der aktuelle amerikanische Präsident Donald Trump, der auch die Übereinkünfte der Klimakonferenz von Paris ablehnt, die im Mittelpunkt von „Eine unbequeme Fortsetzung“ stehen. Genauer sollte man allerdings vielleicht sagen, dass im Film von Bonni Cohen und Jon Shenk Al Gore im Mittelpunkt steht, manchmal auf arg verklärende Weise: Gore, der voller Emphase Vorträge hält und sich in Rage redet; Gore, der in Gummistiefel durch die Straßen des überfluteten Miami oder die schmelzenden Gletscher Grönlands stampft, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen; Gore, der fortwährend mit globalen Figuren im Kontakt ist, von Wirtschaftsfuhren bis zu internationalen Politikern - mit den meisten ist er per Du – und hinter den Kulissen Verhandlungen führt. Das ist zwar durchaus eindrucksvoll, aber auch in erheblichem Masse eitel, zumal die Regisseure Gores fraglos rhetorisch hervorragende Reden immer wieder mit Blicken auf gebannte Zuschauer gegenschneiden, die zustimmend, ja geradezu ergriffen nicken. Aber vielleicht passt diese etwas hagiographische Manier auch zu einem Film, den wohl bedauerlicherweise ohnehin kaum jemand anschauen wird, der nicht mit dem Thema vertraut ist und von der Existenz des Klimawandels überzeugt ist. Dabei wäre es gerade in diesem Fall wichtig, die Skeptiker, die Zweifler zu erreichen, die besonders in Amerika existieren.

Nicht so viele Daten und Graphiken wie der Vorgänger zeigt diese Fortsetzung, stattdessen immer wieder Bilder von den zunehmend extremeren Kapriolen, die das Wetter schlägt: Stürme, Überschwemmungen, schmelzende Gletscher, vertrocknete Felder. Wie diese Phänomene auch zu den aktuellen Migrationsströmen beitragen ist einer der interessantesten Aspekte des Films, der allerdings wie mancher andere nur gestreift wird. Ganz kurz sieht man da etwa Gore mit einem New Yorker Bundesrichter sprechen, der ihm von beginnenden Ermittlungen gegen Produzenten konventioneller Energie berichtet, die ihre Macht offenbar dazu benutzt haben, um die Entwicklung alternativer Energiequellen zu untergraben. Der Ansatz zu einem wirklich investigativen, aufklärerischen Film wird hier angedeutet, doch Cohen und Shenk bleiben in  „Eine unbequeme Fortsetzung“ auf der sicheren Seite und belassen es bei einer Huldigung Al Gores
 
Michael Meyns