In the Greyscale

Zum Vergrößern klicken

Bruno hat eigentlich alles im Leben: einen sicheren Job als Architekt, Geld, eine hübsche Frau und einen gesunden Sohn. Dennoch ist er mit sich nicht im Reinen und er spürt, dass ihm etwas fehlt. Als er den attraktiven Lehrer Fer kennenlernt, wird ihm klar, was genau er vermisst hat. Doch damit beginnen die emotionale Konfusion und die Unsicherheit erst so richtig. Das chilenische Liebes-Drama "In the Grayscale" widmet sich auf sanfte und nachdrückliche Weise den Themen "sexuelle Begierden" und "Selbstfindung". Ein sensibel-einfühlsames, sinnliches Filmdebüt mit bestechenden Darstellern und sonnendurchfluteten, lasziven Bildern.

Webseite: www.pro-fun.de

Chile 2015
Regie: Claudio Marcone
Drehbuch: Rodrigo Antonio Norero
Darsteller: Francisco Celhay, Emilio Edwards,
Matias Torres, Sergio Hernandéz
Länge: 101 Minuten
Verleih: Pro Fun Media
Kinostart: 29. Oktober 2015
 

FILMKRITIK:

Bruno (Francisco Celhay) scheint oberflächlich alles zu haben: er arbeitet als erfolgreicher Architekt, hat keine Geldsorgen und eine Familie, die ihn liebt. Doch insgeheim ist der sensible Mann unglücklich, ihm fehlt etwas, nur was es ist, dessen ist er sich nicht sicher. Da kommt es gelegen, dass ihn eines Tages ein lukrativer Auftrag aus Santiago erreicht. Er will die Entfernung und den Abstand zu seiner Familie nutzen, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Eines Tages trifft er dort den lebhaften Lehrer Fer (Emilio Edwards), der offen schwul lebt und kein Geheimnis daraus macht, dass er sich zu Bruno hingezogen fühlt. Auch Bruno findet immer mehr Gefallen an dem Lebemann und lässt sich schließlich auf eine stürmische Affäre mit ihm ein. So gut Bruno die Zeit mit Fer tut, so sorgt sie doch auch für  Verwirrung und Konfusion. Für wen und damit welchen Lebensstil wird er sich schlussendlich entscheiden?

Das Liebes- und Selbstfindungsdrama "In the Grayscale" ist das Debüt des Regisseurs Claudio Marcone, der den Film auch produzierte und für weite Teile der Kameraarbeit verantwortlich war. Die beiden Hauptdarsteller Francisco Celhay und Emilio Edwards sind in ihrer chilenischen Heimat bekannte Darsteller, vor allem der 37-jährige Celhay, der bisher vor allem in TV-Serien zu sehen war. "In the Grayscale" wurde zu weiten Teilen in Santiago de Chile gedreht, die sich vor allem im Sommer aufgrund ihrer schwülen, schwelgerischen Stimmung und Atmosphäre als perfekter Drehort für einen Film eignet, der auch von seinen erotischen Momenten und der Leidenschaft lebt.

Der Film ist perfekt auf seine beiden charismatischen Hauptdarsteller Francisco Celhay und Emilio Edwards zugeschnitten, deren Figuren unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist der lebenslustige, fidele Fre, der seine Sexualität offen lebt und vor Energie und Unternehmungslust nur so strotzt. Auf der andere Seite der stets gedankenverlorene, oft in sich gekehrte Bruno, der mit sich und seinen Gefühlen hadert. Fre gelingt es aber allmählich, versteckte und bis dato unbekannte Gefühle in dem Architekten zu wecken, der sich seinem Verlangen bald darauf ganz hingibt. Die Sexszenen des Films sind dabei äußerst behutsam und sanft inszeniert. Sie machen zu jeder Zeit zwar auch die Unsicherheit von Bruno deutlich aber sind dennoch durchzogen von tiefer Leidenschaft und ehrlicher, knisternder Erotik. Das Spiel der beiden Darsteller ist vor allem in diesen intimen Momenten wahrhaftig.

Darsteller Francisco Celhay hat dabei wohl die schwierigere Aufgabe als sein Kollege Edwards. Celhay verkörpert einen unsicheren, zwischen seiner Familie und Fre hin- und hergerissenen, eigentlich mit beiden Beinen im Leben stehenden Mann, der ganz sicher eines überhaupt nicht gebrauchen kann: Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Sexualität und Identität. Wenn Bruno mit melancholischem, ernstem Blick immer wieder dasitzt und auch mal den Kopf hängen lässt oder sich gegen selbigen schlägt, wird klar: So sehr Bruno die ungezwungene, lustvolle Zeit mit Fre erlebt, so  leidet er doch auch unter der Frage, für wen er sich entscheiden und wie er künftig leben soll.

Regisseur Marcone findet für seinen Film geschmeidige, sonnendurchflutete und erhabene Bilder, die die ganze Leichtigkeit einer neuen Liebe und des Kribbelns im Bauch deutlich machen. Drehort war die chilenische Millionenmetropole Santiago de Chile, die mit ihrem weltoffenen Charme, den zahlreichen Baudenkmälern und dem im Sommer oft schwülen, leicht tropischen Klima den passenden Handlungsort für den Film liefert. Der Film macht vor allem eines deutlich: zwischen klaren sexuellen Vorlieben und Präferenzen existieren viele Zwischenstufen und - ganz dem Filmtitel entsprechend - Grautöne. Es ist nicht alles - wie es Fre an einer Stelle des Films sagt - "schwarz und weiß". Dass man damit - trotz aller Verwirrung - aber durchaus positiv umgehen und dies eine enorme Bereicherung sein kann, macht der Film nachhaltig deutlich. Und das ist sein großer Verdienst.

Björn Schneider