Killing God – Liebe Deinen Nächsten

Zum Vergrößern klicken

Eine Horrorkomödie über Gott und die Apokalypse, rabenschwarz und bitterböse. Vier Menschen bekommen am Silvesterabend unerwartet Besuch. Es handelt sich um einen Straßenpenner, der behauptet, Gott zu sein, und den Untergang der Menschheit verkündet. Die Vier sollen entscheiden, welche zwei Exemplare der Gattung Homo sapiens überleben dürfen … Was die katalanischen Filmemacher Caye Casas und Albert Pintó in ihrem Kinodebüt präsentieren, ist ebenso spektakulär wie niederträchtig, vielleicht nicht immer ganz logisch, aber auf jeden Fall unterhaltsam.

Webseite: www.facebook.com/killinggod.derfilm

Originaltitel: Matar A Dios
Spanien 2017
Buch und Regie: Caye Casas, Albert Pintó
Darsteller: Eduardo Antuña, Itziar Castro, Boris Ruiz, David Pareja, Emilio Gavira
93 Minuten
OV, OmengU, OmdtU, Deutsch
Verleih: lupusMEDIA / Farbfilm Verleih
Kinostart: 27. Dezember 2018

FESTIVALS/PREISE:

Buenos Aires Rojo Sangre, 2017, Beste Regie, Beste Darstellerin

Som Cinema – Festival de l’Audovisual Català, 2017, Bester Spielfilm

Sitges International Film Festival 2017, Großer Publikumspreis

FILMKRITIK:

Carlos und Ana verbringen Silvester in den Bergen. Das Ehepaar ist total zerstritten. Ana verfügt über einen beeindruckenden Körperumfang, aber dahinter verbirgt sich eine sensible Seele, und auf der trampelt Carlos am allerliebsten herum. Doch Ana ist ihm absolut gewachsen, wenn es um Gemeinheiten geht. Ihre einzigen Partygäste sind Carlos‘ Vater Eduardo und sein Bruder Santi. Eduardo ist seit kurzem Witwer und hat die Welt der Sünde für sich entdeckt, Santi ist aufgrund einer unglücklichen Liebe lebensmüde. In diese Horror-Familie platzt unerwartet ein weiterer Gast: Es ist Gott, zumindest behauptet er das, entspricht aber absolut nicht den landläufigen Vorstellungen vom gütigen alten Herrn mit weißem Rauschebart. Vielmehr sieht er aus wie ein kleinwüchsiger Landstreicher. Noch dazu flucht er wie ein Droschkenkutscher, säuft wie ein Loch und führt sich auf wie ein größenwahnsinniger Mini-Diktator. Natürlich glauben ihm die Vier erstmal nicht, so dass der Besucher eine Probe seiner Fähigkeiten abliefern muss. Dazu muss Eduardo herhalten, der erst den plötzlichen Herztod stirbt und wird wenig später wieder zum Leben erwacht. Die Vier sind nun einigermaßen überzeugt. Damit nicht genug, erhalten sie auch noch eine Aufgabe. Sie sollen bestimmen, welche beiden Menschen die Apokalypse überleben sollen, die für den nächsten Morgen angekündigt ist. Jeder möchte sich selbst wählen, doch mindestens zwei von ihnen müssten dennoch sterben. Das Nachdenken darüber fällt den vier Philistern ziemlich schwer, immerhin kommen sie darauf, dass für den Fortbestand der Menschen eine Frau im gebärfähigen Alter ganz praktisch wäre. Aber vielleicht gibt es ja noch eine ganz andere Lösung: Man könnte zum Beispiel versuchen, Gott zu töten …
 
Beinahe ein Kammerspiel ist der Kinoerstling von Caye Casas und Albert Pintó: Er spielt mit fünf Hauptpersonen fast durchgängig im selben Haus. Diese Kulisse ist fantasievoll und üppig ausgestattet, eine Mischung aus Museum, Trödelladen und Devotionalienhandlung, vollgestopft mit präparierten Tieren, Heiligenbildern, Kruzifixen und diversen originellen Requisiten. Doch schon der Anfang zeigt, dass die beiden Filmemacher sich selbst und ihren Ideen offensichtlich selbst nicht ganz über den Weg trauten. Konsequent wäre es gewesen, die gesamte Handlung im Haus und darum herum spielen zu lassen. Gleich zu Beginn allerdings gibt es eine Szene außerhalb mit dem möglicherweise göttlichen Gnom, und eigentlich weiß das Publikum dann schon Bescheid. Doch auch, wenn der große Thrill fehlt, entwickelt sich die Geschichte unterhaltsam in Richtung bösartiger Satire mit eher milden Horroreffekten.
 
Wie der vermeintliche Straßenpenner zum ersten Mal vor der Familie auftritt, ist spektakulär und schlichtweg göttlich. Hier stimmt alles bis ins kleinste Detail. Die Bildgestaltung erinnert an Murnaus „Nosferatu“ und andere Horror-Expressionisten samt Epigonen wie Roger Corman, andererseits pflegt sie einen eigenen Stil, den man als postmodern expressiven Naturalismus bezeichnen könnte, vielleicht mit einem Hauch von Schwulst, was aber mehr bereichert als stört. Der Soundtrack ist ebenfalls gelungen, mit typischen Horrorfilm-Themen und diversen, schön wummernden Klassikern. Wenn der angebliche oder echte Gott zur „Sarabande“ von Händel mit einem ausgestopften Hasen tanzt, der – Alice grüßt aus dem Wunderland – eine Taschenuhr an der Pfote trägt, dann ist das einfach großartig. Die grotesken Bilder werden manchmal von Special Effects unterstützt, wobei hier und da ein bisschen Blut fließt. Schock-Elemente werden allerdings eher sparsam eingesetzt. Das kleinwüchsige, versoffene Männlein, das behauptet, Gott zu sein, bewegt sich gelegentlich, zum Beispiel beim Essen, im leichten Zeitraffer, was seine Bewegungen noch gnomenhafter macht.
 
Emilio Gavira spielt den bösen kleinen Mann, der wie eine Mischung aus Troll und Straßenpenner wirkt, mit sehr viel Leidenschaft und ohne Scheu vor Übertreibungen. Wenn er wirklich Gott ist, dann könnte seine miese Laune ebenso wie der Hang zum Alkohol ganz simpel menschengemacht sein. Denn dass mit der Menschheit etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, zeigen ihre vier mehr oder weniger typischen Vertreter. Sie sind so hintersinnig wie böse ausgewählt: Carlos (Eduardo Antuña), ein verbitterter Mann voller niederer Instinkte, Ana, seine sehr korpulente, unglückliche Frau, gespielt von Itziar Castro, ihr depressiver Schwager Santi und der brünstige Schwiegervater Eduardo (Boris Ruiz), der es ohne Rücksicht auf Verluste noch einmal richtig krachen lassen will. Allesamt sind sie Soziopathen, unfähig zur Kommunikation miteinander und kreuzunglücklich. Es ist nicht leicht, positive Eigenschaften an ihnen zu finden. Am ehesten funktioniert das noch bei Santi (David Pareja), dem melancholischen Selbstmordkandidaten, der geringfügige Anzeichen von Freundlichkeit zeigt. Aber vielleicht erregt er auch einfach nur Mitleid. Jedenfalls wäre es um die Menschheit absolut nicht schade, wenn alle so wären wie diese Vier. Im zweiten Drittel des Films laufen sie zu Hochform auf, gewähren tiefe Einblicke in ihr seichtes Gedankengut und in ihre fiesen Charaktere. Beinahe kommen sie ins Philosophieren, streifen Glaubensfragen und machen doch haarscharf vor jeder Einsicht halt. Schließlich kommt ihnen die Idee, ihren Besucher und damit vielleicht Gott umzubringen. Das Ende ist dann doch moralisch. Und noch ein kleiner Tipp: keinesfalls bei den ersten Titeln aufstehen und das Kino verlassen!
 
Gaby Sikorski