Kosmetik des Bösen

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Die Romane der 54-Jährige Franko-Belgierin Amelie Nothomb sind Kult. Wie sie blickt nun Regisseur Kiké Maíllo in der Adaption ihres Bestsellers verführerisch in menschliche Abgründe, verborgen hinter schönem Schein. Sein Psycho-Thriller zerreibt genüsslich den dünnen Firnis der Zivilisation. Alles beginnt ganz harmlos. Eine junge Frau hängt sich wie eine Klette an den Stararchitekten Jeremiasz Angust. Auf dem Pariser Flughafen, den er selbst entworfen hat, drängt sie ihm ihre verstörende Lebensgeschichte auf. Und dabei bröckelt die Fassade des Biedermanns mehr und mehr. Der polnische Schauspieler Tomasz Kot, der mit Cold War - Der Breitengrad der Liebe internationale Bekanntheit erlangte, beherrscht seine Rolle ebenso perfekt wie die junge Schauspielerin Athena Straten. Die Südafrikanerin mit deutschen Wurzeln brilliert als nerviges, übergriffiges Girlie mit engelhafter Bösartigkeit.

Website: http://www.mm-filmpresse.de/film.php?film=374

A Perfect Enemy
Spanien/Deutschland/Frankreich 2020
Regie: Kiké Maíllo
Drehbuch: Kiké Maíllo, Christina Clemente, Fernando Navarro
Darsteller: Tomasz Kot, Athena Strates, Marta Nieto, Dominque Pinon, Stefanie Fürchtenicht, Götz Vogel von Vogelstein,
Länge: 90 Minuten
Verleih: Koch Films, Vertrieb: Central
Kinostart: 4.11.2021

FILMKRITIK:

Paris, in strömenden Regen. Der berühmte Stararchitekt Jeremiasz Angust (Tomasz Kot) ist im Taxi auf dem Weg zum Flughafen. Die Zeit wird knapp. Stehender Verkehr. Plötzlich klopft eine junge Frau (Athena Straten) an die Fensterscheibe. Seine widerwillig geleistete Hilfsbereitschaft, bereut er freilich bald. Denn Jeremiasz verpasst wegen der redseligen Fremden, die sich als Texel Textor vorstellt, seinen Flug. Aber es kommt noch besser. Er wird sie nicht los.

In der Flughafen-Lounge taucht die eloquente Niederländerin plötzlich wieder vor ihm auf. „Ich hasse Flughäfen“, verrät sie ihm strahlend. Damit macht sie sich bei ihm jedoch noch weniger beliebt. Schließlich ist die Flughafenanlage sein Werk, auf das der Perfektionist besonders stolz ist. „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn nichts mehr hinzuzufügen ist, sondern wenn nichts mehr da ist, was man wegzulassen vermag“, selbstverliebt zitiert Jerome gerne Antoine de Saint-Exupéry, Autor des Weltbestsellers „Der kleine Prinz“ in seinen Vorträgen.

Dass auch Texel ihn mit diesem Bonmot konfrontiert, verwundert ihn. Für ihn steht damit fest: Sie muss auf seinem Vortrag gewesen sein. Doch ein Anruf mit seinem Kompagnion Jean Rosen (Dominque Pinon) hilft ihm nicht weiter. Eine Texel Textor steht nicht auf der Gästeliste. Trotzdem versteht es Texel seine Neugierde zu wecken. Doch beim gemeinsamen Essen in der Lounge wird die Situation immer verstörender.

„Haben sie schon einmal einen Menschen getötet?“ will Texel von ihm wissen und beginnt ihre Lebensgeschichte zu erzählen, die Geschichte eines ungeliebten Kindes, das Katzenfutter frisst und vom Neid auf die Perfektion anderer zerfressen ist. Und Jeremiasz muss zuhören ob er will oder nicht. Ihre Geständnisse verunsichern ihn mehr und mehr. „Eine Lüge muss öfter wiederholt werden als die Wahrheit, damit man sie glaubt“, verkündet er, um sich aus diesem Spinnennetz zu befreien

Doch seine Wahrnehmung verzerrt sich. Immer schwerer fällt es ihm zu unterscheiden, was real ist und was nicht. In dem Modell der Flughafen-Lounge, die sein Werk ist, klebt plötzlich Blut. Und Texel folgt ihn auf die Toilette und bedroht ihn dort mit einem Messer. Für den Zuschauer des spannenden Psychothrillers offenbart sich nur langsam, dass auch Jeremiasz ein dunkles Geheimnis hütet, das er erfolgreich ausblendet. Denn die düsteren Rückblenden werfen eher ein schräges Licht auf das nervige Girlie und ihre obsessive Liebe zu einer attraktiven Frau (Marta Nieto), der sie nachstellt.

Verführerisch blickt Regisseur Kiké Maíllo in menschliche Abgründe, verborgen hinter schönem Schein. Seine Adaption des Bestsellers der 54-Jährige Franko-Belgierin Amelie Nothomb endet in einem starken Finale. Genüsslich zerreibt der Katalane den dünnen Firnis der Zivilisation. Warum seine Protagonistin freilich eine junge Lesbe sein musste und nicht wie in Nothombs Roman ein Mann erschließt sich nicht ganz. Obwohl die junge Schauspielerin Athena Straten in ihrer Rolle mit engelhafter Bösartigkeit mehr als überzeugt. Und auch Tomasz Kot den schillernden Charakter des eitlen, narzisstischer Architekt in all seinen Facetten perfekt verkörpert.

Luitgard Koch