Krähen – Die Natur beobachtet uns

Zum Vergrößern klicken

Vor allem im Mittelalter galten sie als Vorboten des Untergangs, die den Tod symbolisierten. Für die Germanen hingegen waren sie heilige Göttervögel. Heute steht fest: Krähen verfügen über außergewöhnliche Flugkünste und kluge Verhaltensweisen, die im Kern denen des Menschen nicht unähnlich sind. Die beachtliche, aufwendig realisierte Doku „Krähen“ versteht sich als eine Art „filmische Kulturgeschichte des Raben“ und widmet sich allumfassend den schwarzgefiederten, charismatischen Tieren.

Schweiz 2023
Regie: Martin Schilt
Buch: Martin Schilt

Länge: 90 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 16.11.23

FILMKRITIK:

Seit Jahrtausenden sind sie eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden und als ebenso (optisch) auffällige wie anmutige Lebewesen am Boden und in der Luft unterwegs: Krähen und Raben. Allerlei Mythen und Legenden ranken sich um die schwarzen Vögel, die für ihr gewaltiges Erinnerungsvermögen bekannt sind. Regisseur Martin Schilt stellt dem Zuschauer in seiner Doku „Krähen - Die Natur beobachtet uns“ ihre Charakteristika, typischen Verhaltensmuster und Lebensräume näher vor.

Wichtiger noch als die Frage, was wir Menschen über Krähen wissen, erscheint Schilt die Frage: Wie gut kennen die Tiere eigentlich den Menschen und was wissen sie über uns? Höchstwahrscheinlich sehr viel, denn Forschung und Wissenschaft haben längst erarbeitet und bewiesen, wie exzellent deren Gedächtnis und Auffassungsgabe sind. Davon weiß auch Bernhard Heinrich zu berichten, ein ausgewiesener Fachmann. Er schrieb Bücher über die Beobachtung und Erforschung von Raben und allerlei Lehrreiches und Informatives zu berichten.

Etwa wie raffiniert und lernfähig die Vögel miteinander umgehen und dass ihre Gehirne ähnlich komplex sind wie die von Affen. Wie lange sie schon Teil der Menschheitsgeschichte sind, veranschaulichen gleich zu Beginn detaillierte Animationen, die klarmachen: Krähen waren immer schon da. Vermutlich sogar schon vor dem Menschen. Danach führt Schriftstellerin Elke Heidenreich als Erzählerin durch den Film, dessen musikalische Untermalung manchmal etwas zu deutlich in den Vordergrund rückt. Heidenreich jedoch hört man aufgrund ihrer ruhigen Erzählweise und dramaturgisch sinnvollen Betonungen gern zu.

Schilt zeigt die verschiedenen Lebensräume der Tiere und wie mannigfaltig die Regionen sind, in denen sich sie heimisch fühlen. Von den Eislandschaften Kanadas über Vergnügungsparks (der Wiener Prater) und einer Mülldeponie im indischen Dehli bis nach Neukaledonien. Auf der zu Frankreich gehörenden Inselgruppe im Südpazifik lernen wir besondere Krähenart kennen, die Neukaledonische Krähe. Sie kann selbstständig ihre eigenen Werkzeuge herstellen. Und auch das macht Schilts mit Akribie und Leidenschaft für das Sujet umgesetzte Doku aus – der Informationsgehalt. Man lernt verschiedene Gattungen und ihre Besonderheiten kennen. Darunter die Glanzkrähe, die Nebel- und die Saatkrähe.

„Sie werden zwar dumm geboren, aber sie lernen schnell“, sagt ein Wissenschaftler über jene Raben, deren Verhalten und Kommunikation er an der Universität Washington studiert. Biologen erforschen dort ebenso das soziale Miteinander der Tiere mittels diverser Tests und Experimente. Dieser akademische Exkurs ist deshalb so spannend, da die Äußerungen und Beobachtungen der Ornithologe und Ökologen verdeutlichen, wie ähnlich der Mensch dem schwarzgefiederten Vogel eigentlich ist. Beide Lebewesen schließen sich – evolutionär bedingt – zu Gruppen und Schwärmen zusammen, um zu überleben. Eine weitere Gemeinsamkeit: Für Mensch wie Tier sind soziale Kontakte und die Suche nach dem passenden Geschlechtspartner lebensnotwendige Aspekte.

Gegend Ende blickt Schilt augenzwinkernd auf einige der mit Rabenvögeln verbundenen, geheimnisvollen Sagen und Überlieferungen. So reist er zum Tower of London ins britische Königreich. Dort kommt den Tieren, die seit dem 17. Jahrhundert in der berühmten Festung leben, eine besondere Bedeutung zu. Der Legende nach gehen nämlich die Burg und mit ihr ganz Großbritannien unter, wenn die Raben die Anlage verlassen. Mit verschmitztem Humor berichtet einer der Burgwärter über seine alltäglichen Erlebnisse mit den Vögeln und lädt damit zum Schmunzeln ein.

 

Björn Schneider