Lost Children

Deutschland 2005
Regie: Ali Samadi Ahadi, Oliver Stoltz
96 Minuten
Verleih: Timebandits
Start: 3. November 2005

Oliver Stoltz und Ali Samadi Ahadi porträtieren in ihrem erschütternden Dokumentarfilm vier Kinder in Uganda, die von der abtrünnigen Lords Resistance Army gekidnappt wurden, um als Soldaten gegen die Regierung zu kämpfen.  Eine eindringliche Dokumentation!

Es ist der längste Krieg in Afrika: Seit fast 20 Jahren findet unter den Augen der Weltöffentlichkeit im Norden Ugandas ein unvorstellbares und systematisches Morden statt. Die Regierungstruppen der National Resistance Army (NRA) kämpfen gegen die abtrünnige Lords Resistance Army (LRA), die einen Großteil ihrer „Gefolgschaft“ aus Kindern rekrutiert, von denen die meisten noch nicht einmal Teenager sind. Zwischen 8-14 Jahren alt, werden die Kinder von Soldaten der LRA entführt und mitunter auch gegen eigene Clans und Familien aufgehetzt.

Die beiden Regisseure Oliver Stoltz und Ala Samadi Ahadi fuhren insgesamt vier Mal ins Kriegsgebiet, um mehr als 120 Stunden Material unter den schwierigsten Bedingungen zu drehen. Im Mittelpunkt ihrer eindringlichen Dokumentation stehen dabei vier Kinder, die aus dem Krieg zurückgekehrt sind.

Die 14-jährige Jennifer war fünf Jahre lang in den Händen der Rebellen. In ihren Alpträumen erscheinen nachts die Menschen, die sie umgebracht hat. Mit 11 bekam sie eine Waffe in die Hand und wurde kurze Zeit später von einem Kommandanten vergewaltigt. Der 13-jährige Kilama konnte ein Jahr nach seiner Entführung fliehen. Er ist traumatisiert vom Anblick eines kleinen Jungen, dessen Mutter er erstechen musste. Er betet jeden Tag zu Gott um Vergebung, doch nicht einmal seine eigenen Großeltern wollen ihn ermuntern, geschweige denn aufnehmen – zu sehr fürchten sie, dass ihr Enkel oder die Rebellen auch ihnen etwas antun könnten.

In unzähligen Interviews ist es den beiden Regisseuren gelungen, die von den Gräueltaten traumatisierten Kinder dazu zu bewegen, ihre Vergangenheit zu reflektieren. Die Vorstellung und die Bilder, die sich der Zuschauer davon macht sind furchtbar und ernüchternd – sofern die eigenen Gedanken es überhaupt zulassen, sich auszumalen, wie Kinder sich gegenseitig mit Macheten abschlachten und zum Essen der übrig gebliebenen Kadaver gezwungen werden.

Ist es verständlich, wenn man als Angehöriger der Ersten Welt solche Vorkommnisse aus dem Bewusstsein ausblendet? Die Realität und die Lebenswelten der westlichen Länder haben mit den meisten Ländern Afrikas wenig gemeinsam, aber jeder weiß, dass täglich Menschen an Krieg und Hunger sterben. Gerade deshalb ist „Lost Children“ ein wichtiger und mutiger Film, der durch seine schonungslose Authentizität die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses afrikanische Krisengebiet lenken will. Dennoch ist dies kein rein politischer Film, viel mehr stehen die grauenhaften Schicksale der Kinder im Vordergrund. Erdrückend und schonungslos – „Lost Children“ wird international für eine Menge Gesprächsstoff sorgen, auch wenn man ein wenig Mut mit in den Kinosaal mitbringen sollte.

David Siems