Lovesong für Bobby Long

USA 2004
Regie: Shainee Gabel
Darsteller: John Travolta, Scarlett Johansson, Gabriel Macht, Deborah Kara Unger, Dane Rhodes, David Jensen, Clayne Crawford, Sonny Shroyer, Walter Breaux
119 Minuten
Verleih: Tobis, www.tobis.de (Start: 21.7.2005)

Nicht nur an Bobby Long, eine der drei Hauptfiguren in diesem Film voller liebenswürdiger Säufernasen und einer nach ihrer Identität suchenden Jugendlichen, adressiert die junge Regisseurin Shainee Gabel den titelgebenden Lovesong. Liebeserklärungen erhalten auch die Literatur, das ländliche Umland von New Orleans und nicht zuletzt die Familie.

Die Trauer sitzt tief bei Bobby Long (John Travolta), und sie begann schon weit vor dem Tod von Lorraine, einer von allen Männern, auch von Bobby Long, in ihrem Umfeld geliebten und abgöttisch verehrten Musikerin. Ihm, dem ehemaligen Literaturprofessor, seinem angeblich an einem Buch schreibenden Kumpel Lawson (Gabriel Macht) und ihrer Tochter Purslane (Scarlett Johansson) hat Lorraine ihr Haus vermacht. Als Purslane ihren ersten Schock über den Tod der Mutter und den Zustand der zu einer Bruchbude verkommenen Immobilie verdaut hat, versucht sie, nicht nur ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Das freilich ist leichter gesagt als getan, zumal Purslane nicht in jeder Hinsicht Zielstrebigkeit beweist und sich das Zusammenleben mit den zwei schon morgens betrunkenen Männern als nicht einfach erweist. Doch alle wissen: irgendwie muss es weiter gehen, trotz der Lethargie, in der vor allem Bobby Long gefangen scheint, trotz des Alkohols, vom dem er nicht lassen mag.

Für Purslane bedeutet die Rückkehr in ihren Heimatort eine Reise zurück zu Wurzeln, von denen sie bislang nichts wusste. Jeder hier kannte sie noch als kleines Mädchen, jeder schwelgt in Erinnerungen. Meist geschieht dies bei gemeinsamen Treffen in der Bar oder in trauter Runde im Garten, wo Bobby Long dann zur Gitarre greift und Lieder voller Sehnsucht und Melancholie zum Besten gibt. Allmählich setzt sich für Purslane das Puzzle ihrer Vergangenheit zusammen – und trotz vorenthaltener Wahrheiten ist sie am Ende doch froh, dass die Dinge sich so entwickeln wie sie es tun.

Der Ort in diesem Film ist einer, an dem die Zeit still zu stehen scheint. Ein Ort, dessen Rhythmus von den in den Tag hinein lebenden Bohemiens bestimmt wird, deren Geist jedoch durchaus wach ist. Vor allem Bobby Long weiß in dieser Hinsicht immer wieder mit Zitaten aus der Literatur zu glänzen, was ihm auf der anderen Seite den Vorwurf einbringt, mit seiner eigenen Meinung hinterm Berg zu halten. Mit seinem Faible für große Schriftsteller und seinem Alkoholzuspruch erinnert dieser charismatische Bobby Long ein wenig an Amerikas Beatpoeten, John Travolta stattet diesen stolzen und doch gebrochenen Charakter mit bemerkenswerten Facetten aus, wovon das graue Stoppelhaar, der Schalk im Nacken und das Smileypflaster auf dem großen fauligen Zeh nur die äußeren Anzeichen sind. Travolta selbst fühlte sich durch den auf dem Roman „Off Magazine Street“ von Ronald Everett Capps basierenden Film an Werke von Tennessee Williams erinnert.

Scarlet Johansson wiederum ist als 17-jährige Teenagerin eine eher untypische Vertreterin ihrer Generation. Selbstbewusst und doch auch unsicher, direkt und doch nicht spöttisch, verführerisch und doch nicht nur das Abenteuer suchend. Dass sie mit Bobby Long den Alabama-Shuffle tanzt mag durchaus als Hommage an Travoltas Kult gewordene Tanzeinlagen in „Pulp Fiction“ und zuletzt „Be cool“ verstanden sein. Als dritter im Bunde der Bruchbuden-WG verkörpert schließlich Gabriel Macht das, was diesen gelungenen, warmherzigen und doch auch in Teilen schmerzhaften Film und seine in ihm steckende Familiengeschichte letztendlich ausmacht: die Mischung aus Wärme und Tragik.

Thomas Volkmann