Lücke im System

Schweiz/Deutschland 2004
Regie: Romed Wyder
Darsteller: Vincent Bonillo, Irene Godel, François Nadin, Delphine Lanza, Véronique mermoud, Ulysse Prévost
Länge: 94 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 8.12.2005

Neues aus der Schweiz: Bislang eher ein weißer Fleck auf der Karte internationaler Filmkunst, zeigt diese Produktion aus dem Alpenland, dass subtile Politthriller nicht immer aus Hollywood kommen müssen. Spannend und authentisch erzählt Regisseur Romed Wyder von einem Computerhacker, der ins Visier eines Multikonzerns gerät. Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten.

„23“ (1998) von Hans-Christian Schmid hat es vorgemacht, wie man einen packenden Film über das eigentlich bildarme Thema „Computerhacker“ drehen kann. Auch „Lücke im System“ hat weitaus mehr zu bieten, als nur junge Männer mit tiefen Augenringen zu zeigen, die stundenlang vor dem Bildschirm sitzen, um sich Zugang auf die bedeutenden Server von Großkonzernen zu verschaffen.
Der tragische Held in dieser Geschichte heißt Alex (Vincent Bonillo), ein überzeugter Globalisierungsgegner um die 30. Seine Freundin hält es nicht mehr aus mit ihm, weil er mehr Zeit für sein neues Projekt widmet als ihr. Als Putzmann heuert er bei einem bedeutenden Economy-Giganten an, um heimlich einen Computervirus auf den Server der Weltbank einzuschleusen. Der bevorstehende Weltwirtschaftsgipfel soll damit sabotiert werden.

Doch Alex wird von einem Auto angefahren und liegt als Folge des Unfalls für zwei Tage im Koma. Er verliert sein Kurzzeitgedächtnis und kann sich nicht mehr erinnern, ob seine Mission erfolgreich war. Es beginnt ein rasantes Spiel um Verschwörungen, Erinnerungen und allerhand Personen, die es auf Alex abgesehen haben.
   
Das Einschleusen eines Computervirus, der die Finanztransaktion stört, wird international als terroristische Handlung eingestuft. „Lücke im System“ erzählt die Geschichte vom Standpunkt des Aktivisten aus. Indem sich die Zuschauer mit ihm identifizieren, befinden sie sich auf der Seite des „Terroristen“, ohne jemals auf die Idee zu kommen, ihn als solchen zu bezeichnen. Alex’ Kampf ist letztlich ein Kampf gegen Windmühlen, der ohne die Unterstützung eines Netzwerks auskommen muss und damit zum Scheitern verurteilt ist.

„Lücke im System“, durch spärliche finanzielle Mittel dennoch gut aufbereitet, beruht auf wahren Begebenheiten: Zeitgleich zum Weltwirtschaftsgipfel im Januar 2000 stürmte in Davos die Polizei die Wohnung eines jungen Informatikspezialisten. Gemeinsam mit der Gruppe „Virtual Monkeywrench“ hatte er sich Zugang auf den Server des Weltwirtschaftsforums verschafft und eine CD mit E-Mail-Adressen, Passwörtern, Telefon- und Kreditkartennummern zusammengestellt und an die Presse weitergegeben.

Im gleichen Jahr griff ein Publizist das Luxemburger Unternehmen Clearstream an und bezichtigte die Firma der Geldwäsche und der Verdunklung internationaler Transaktionen.

Im Abspann von „Lücke im System“ spricht eine Frau (die im Film dargestellt wird) von ihren erschütternden Erfahrungen aus der Zeit, als sie in Computerhacker-Kreisen verkehrte. Aus Schutz erkennt man ihr Gesicht nicht. Das macht den Film im nach hinein noch sehr viel unheimlicher.  

David Siems