Deutlich von ihren Erfahrungen im Bereich der Dokumentation beeinflusst, beschreibt Iveta Grófová in ihrem ersten Spielfilm "Made in Ash" in einer nicht immer überzeugenden Mischung aus dokumentarischen und fiktiven Momenten das Schicksal eines jungen Mädchens, das aus schwierigen sozialen Umständen ausbrechen will, aber unausweichlich scheitert. Ein sperriges, hartes Sozialdrama.
Webseite: www.peripherfilm.de
OT: Až do mesta Aš)
Slowakei/ Tschechien 2012
Regie: Iveta Grófová
Buch: Iveta Grófová, Marek Lescak
Darsteller: Dorotka Billá, Silvia Halusicova, Robin Horky, Maria Billa, Petr Kropacek, Horst Wachter
Länge: 84 Minuten
Verleih: peripher
Kinostart: ab 11. Juni 2015
FILMKRITIK:
Kaum volljährig, ist Dorotka (Dorotka Billá), gerade mit der Schule fertig, voller Hoffnungen. Doch ihre lieblose Mutter will nicht länger für ihre Tochter sorgen, sieht die junge Frau eher als Belastung und zwingt sie, aus der heimischen Slowakei nach Tschechien zu ziehen, in die kleine Stadt Ash (auch Aš oder Asch geschrieben), unweit der deutschen Grenze. Hier soll Dorotka in einer Textilfabrik arbeiten, unter harschen Bedingungen, inklusive dem Wohnen in einer baufälligen Mietskaserne. Immerhin lernt sie hier Silvia (Silvia Halusicova) kennen, ein paar Jahre älter und schon deutlich erfahrener: im Umgang mit der harten sozialen Realität, dem Leben an sich und den Männern im Besonderen.
Denn während Dorotka noch regelmäßig mit ihrem zu Hause zurückgebliebenem Freund telefoniert, der ihr ewige Treue geschworen hat, bald aber den Kontakt einschlafen lässt, führt Silvia Dorotka in das karge, graue Nachtleben Ashs ein. Bald wird sich Dorotka noch intensiver dort herumtreiben, denn sie verliert ihren Job und sieht sich ganz auf sich allein gestellt. In ihrer Not lässt sie die Avancen eines älteren deutschen Mannes zu, der sich in Osteuropa nach einer jungen Frau umsieht.
Auf den ersten Blick liest sich Iveta Grófovás Debütfilm wie eines jener typischen Sozialdramen, in denen eine etwas naive, aber hoffnungsvolle junge Frau aus ihrem kärglichen Leben ausbrechen will und dabei unweigerlich in die Hände von Männern gerät, die sie sexuell ausbeuten. Und auch auf den zweiten Blick scheint Grófová viele der Klischees dieses Genres zu bedienen, zeichnet Dorotka – eindringlich gespielt von der Laienschauspielerin Dorotka Billá – als ebenso naives wie leicht zu manipulierendes Wesen. Doch was anfangs wie eine allzu bekannte Klischeegeschichte wirkt, erweist sich bald als deutlich subtiler. Vor allem was Grófová hier nicht macht ist entscheidend: Zwar leidet Dorotka unter materieller Not, doch wirklich hoffnungslos wirkt ihre Lage nicht. Dennoch lässt sie sich von Silvia dazu überreden, den Deutschen kennen zu lernen und lässt sich schließlich auch ohne Zwang auf eine Art Beziehung ein. Diese ist so etwas wie ein Ausweg aus ihrer Lage, möglicherweise sogar der Anfang von einem (etwas) besseren Leben, denn der Deutsche ist nicht unbedingt unsympathisch.
Dennoch durchlebt Dorotka hier ein Schicksal, dass völlig anders ist als ihre Träume, die immer wieder in kurzen, betont kindlichen Animationssequenzen angedeutet werden. Die Stärke des Films liegt darin, dieses Schicksal mit erschreckender Beiläufigkeit zu inszenieren, es nicht durch filmische Mittel besonders zu dramatisieren, sondern es einfach als Schicksal zu zeigen, in das sich immer wieder Frauen fügen, ja angesichts der sozialen Realität geradezu fügen müssen. Hier erweist sich schließlich die karge Inszenierung, die oft betont, manchmal sogar aufgesetzt einfach wirkt, als passendes Stilmittel. Ein Projekt, das anfangs als dokumentarische Arbeit begann, wird durch die Überführung in eine lose fiktive Form am Ende zu einem zwar sperrigen, aber auch sehenswerten Sozialdrama.
Michael Meyns