Nawalny

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Zu einem besseren Zeitpunkt könnte der Dokumentarfilm „Nawalny“ wohl nicht kommen, weil er nicht nur den Fokus auf den Mann setzt, der Putin seit Jahren herausfordert und dafür einen hohen Preis bezahlt, sondern auch das System Putin thematisiert. Ein System, das nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sein wahres Gesicht gezeigt hat. Sieht man sich an, wie Mitglieder des russischen Geheimdienstes entsandt wurden, um einen Kritiker mit chemischen Kampfmitteln mundtot zu machen, überrascht das weitere Handeln des Kremls unter Putin nicht – und dabei geht es in „Nawalny“ nicht mal um seinen völkerrechtswidrigen Krieg.

Website: https://dcmstories.com/de/collection/nawalny/

USA 2022
Regie: Daniel Roher
Buch: Daniel Roher

Länge: 99 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 5. Mai 2022

FILMKRITIK:

„Machen wir einen Thriller aus diesem Film, und falls ich umgebracht werde, können wir einen langweiligen Gedenkfilm daraus machen“, sagt Alexey Nawalny am Anfang. Der Giftanschlag auf ihn war da schon passiert, er hatte ihn überlebt. Vermutlich war das Ziel mehr, als ihn nur mundtot zu machen. Aber Nawalny schwieg nicht, er untersuchte den Fall seiner eigenen Vergiftung, so wie es auch u.a. deutsche Journalisten recherchierten, und den Weg des Kampfstoffs Nowitschok zurück zum russischen Geheimdienst. Und er kehrte nach Russland zurück, um sich einem weiteren Schauprozess zu stellen. Das Ergebnis ist bekannt, der Film zeigt, was im Vorfeld passierte.

Daniel Roher hat eine interessante Dokumentation abgeliefert, die alles andere als purer Schwarzweißzeichnung erliegt. Sie geht auch auf Nawalnys Verbindungen zu Rechtsnationalisten ein, schafft es aber vor allem, ein rundes Porträt dieses Mannes zu zeichnen, der sich seit Jahren dem russischen Regime entgegenstellt und so sehr ein Dorn in seiner Seite ist, dass Putin und andere Offizielle es gemeinhin vermieden haben, ihn überhaupt nur namentlich zu nennen. Sie sprachen immer nur „von der Person, die Sie gerade nannten“, wenn es von Journalisten Fragen zu Nawalny gab.

„Nawalny“ ist aber nicht nur das Porträt eines Mannes, sondern legt das Augenmerk auf Putin und sein Regime. Nach außen hin bescheidene Patrioten, in Wahrheit die Köpfe eines korrupten Systems, das vor allem der eigenen Bereicherung dient. Putin-Apologeten hätten vor nur wenigen Monaten wohl noch reichlich Gründe gefunden, die Darstellung des Kreml-Herrschers in Frage zu stellen. Mit dem Wissen von heute ergibt sich ein ganz anderes Bild: Das eines skrupellosen Mannes, der zur Erreichung seiner Ziele vor nichts zurückschreckt.

Dies ist eine beeindruckende, wichtige Dokumentation, die dem Zuschauer erlaubt, Alexey Nawalny kennen zu lernen und zu verstehen, wer er ist und wieso er für das herrschende Regime Russlands so gefährlich war. Ein Film, um den auch ein Propagandakrieg ausgebrochen ist, denn auf der Filmseite der IMDb kann man sehen, wie vor allem russische Mitglieder mit nur einem Stern bewerten. Nicht, weil der Film schlecht wäre, sondern weil in Russland nicht sein kann, was nicht sein darf – aber die Wahrheit lässt sich nicht unterdrücken.

 

Peter Osteried