Nicotina

Mexiko 2003
Regie: Hugo Rodríguez
Darsteller: Diego Luna, Daniel Giménez-Cacho, Lucas Crespi, Jesús Ochoa,
Carmen Madrid, Marta Belaustegui
Filmverleih: Arsenal
Filmlänge: 93 Minuten
Kinostart: 14. Juli

Der Gesundheitsminister warnt: Rauchen ist ungesund und kann zum Tode führen. Die Figuren in “Nicotina" von Hugo Rodríguez rauchen eindeutig zuviel und auch der Tod wird die meisten von ihnen schneller besuchen als ihnen lieb ist. Eine schwarze Suspense-Komödie, die allerdings nicht unbedingt als aktuelle Bestandsaufnahme des aufstrebenden mexikanischen herhalten sollte.

Spätestens seit dem Erfolg von “Amores Perros" (2002) hat das internationale Filmpublikum aufgehorcht und beäugt die mexikanische Filmszene mit verstärkter Neugier. Die Produzenten des Erfolgsfilms versprechen sich von ihrem aktuellen Projekt “Nicotina" einen ähnlichen Erfolg, doch einen so großen Wurf wird die schwarze Suspense-Komödie von Hugo Rodríguez aller Wahrscheinlichkeit nach nicht machen.

“Nicotina" spielt an einem Herbstabend in Mexico City, nahezu in Echtzeit. Die gesamte Handlung findet zwischen 21.17 Uhr und 23.49 Uhr statt. Der Hacker Lolo (Diego Luna) verschafft sich von seinem PC aus Zugang auf die Konten von Schweizer Banken und damit auch gute Karten bei der russischen Mafia, die umgehend mit ihm Geschäfte machen will. Nebenbei spioniert Lolo seine Nachbarin Andrea (Marta Belaustegui) aus, in die er unsterblich verknallt ist. Über die versteckten Kameras in ihrer Wohnung, die natürlich an seinen PC angeschlossen sind, beobachtet Lolo seufzend seine unerwiderte Liebe allabendlich. Durch einen dummen Zufall kommt die Geschichte in Gang und ehe man sich versieht, liegt auch schon die erste Leiche auf dem Fußboden. Der Deal mit der Russenmafia platzt und plötzlich jagen alle Figuren in diesem Film ein paar wertvollen Diamanten hinterher, die das Friseur-Ehepaar Goyo (Rafael Inclán) und Carmen (Rosa Maria Bianchi) sogar im Magen eines Russen-Mafioso vermutet. Eine schöne Schweinerei.

Der Titel “Nicotina" umschreibt lediglich die Rahmenhandlung, nämlich das alle Figuren mehr oder weniger (Kette) rauchen. Schwarz-humorige Bedeutung bekommt er, wenn der Kleinganove Tomson (Jesús Ochoa) sagt, “für den Genuss einer Zigarette könnte ich sterben". Tempo, Witz und Raffinesse besitzt die erste Hälfte des Films, doch danach flacht die Geschichte stark ab. Diego Luna (auch bekannt aus “Y tu mamá tambien" und “Terminal") als kettenrauchender Hacker soll eigentlich die Hauptrolle spielen, doch allzu unspektakulär verschwindet seine Rolle irgendwann im Drehbuch, um kurz vor Schluss noch einmal für einen recht einfallslosen Showdown herzuhalten. Sehenswert machen “Nicotina³ allenfalls die (wenigen) gelungenen Szenen , die in Splitscreens und Parallelmontagen die Handlungen der Figuren gleichzeitig erzählen. Dazwischen langweilt allerdings das teilweise recht statisch vorgetragene Schauspiel und erinnert in seiner Absurdität dann der großen medialen Hassliebe Lateinamerikas, dem Fernsehphänomen Telenovela. Als Seifenoper hätte man “Nicotina" vielleicht auch inszenieren können, hätte man noch eine stärkere Liebesgeschichte für das Drehbuch eingeplant. Die Rasanz und die Radikalität eines Films wie “Amores Perros" sucht man hier leider vergebens.

David Siems