Reggae Boyz

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Das Fußball-Nationalteam von Jamaica, die Reggae Boyz, steht im Mittelpunkt der kleinen Dokumentation, die davon erzählt, wie wichtig der Fußball für ein ganzes Land sein kann. Der deutsche Trainer Winfried Schäfer soll das Wunder schaffen: die WM-Qualifikation. Karibisches Flair, jede Menge Reggae Sound und natürlich Fußball serviert Till Schauder, dessen Film nach mehreren Festivalauftritten nun ins Kino kommt. Es wird viel gezeigt und viel angesprochen, wobei möglicherweise die ganz klare Linie und damit der letzte Pfiff für ein größeres Publikum außerhalb der Fußball- und Reggae-Fangemeinde fehlt.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Dokumentarfilm
Deutschland 2018
Buch und Regie: Till Schauder
Länge: 75 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 3. Mai 2018
OmU

FILMKRITIK:

Jamaica ist ein fußballverrücktes Land, in dem die Gegensätze zwischen Arm und Reich ebenso offensichtlich sind wie die exotische Schönheit der karibischen Strände. Die Premierministerin tritt sehr gern im Nationaltrikot auf und hält schon mal aufmunternde Reden, die Qualifikation zur Fußball-WM hat sie zur Chefsache gemacht. Und mit ihr fiebert das ganze Land den Spielen entgegen, in denen allerdings leider, leider die Reggae Boyz bisher keine gute Figur gemacht haben. So wird in einer schon fast aussichtslosen Situation der deutsche Trainer Winfried „Winnie“ Schäfer geholt, ein erprobter Coach, der seinerzeit Kamerun in die WM führte. Winnie Schäfer bringt frischen Schwung und neue Zuversicht ins Team, er holt das einheimische Fußball-Idol Tuffy Anderson in die Mannschaft, die im Wesentlichen aus Legionären besteht, die außerhalb Jamaicas in unterschiedlichen Ligen spielen. Und tatsächlich: Es scheint, als ob es aufwärts geht. Zumindest verliert Jamaica nicht mehr, doch die direkte Qualifikation ist schon nicht mehr möglich. Um es wenigstens in die Play Offs zu schaffen, bedarf es eines Wunders … Die Hoffnung stirbt zuletzt, und viele Jamaikaner erinnern sich noch an die gelungene Qualifikation zur WM 1998 – am Abend des entscheidenden Sieges gab es keinen einzigen Mord auf Jamaica.
 
Fußballfans wissen natürlich schon längst, dass es um die WM 2014 geht. Winnie Schäfer hat die Nationalmannschaft Jamaicas zwar nicht in die WM-Endrunde 2014 geführt, aber später zu ihrem größten Triumph: der zweimaligen Teilnahme am Goldcup-Finale hintereinander und zum Sieg gegen die USA, den Erzrivalen. Doch davon ist nur im Abspann die Rede. Till Schauder hat sich entschlossen, nicht das Fußballteam in den Vordergrund zu stellen, auch wenn er die Spiele samt ihren oft wenig erfreulichen Ergebnissen in kleineren Ausschnitten zeigt. Tuffy Anderson ist der einzige Spieler, dem er etwas mehr Aufmerksamkeit widmet. Winnie Schäfer hat da einen etwas größeren Anteil, Till Schauder begleitet ihn bei seinen Entdeckungsreisen auf der Insel und zeigt ihn als Trainer in den Vorbereitungen und im Spiel. Doch beinahe mehr als der Sport und die Sportler steht im Mittelpunkt eine Reggae Band, The NoMaddz, die – zu Beginn wie der griechische Chor in einem antiken Drama – die Umtriebe des Nationalteams kommentieren, was angenehm originell ist. Leider ergeben sich wenig Möglichkeiten, die Bandmitglieder ein bisschen besser kennenzulernen. Die sozialen Zustände auf der Insel, das Erbe Bob Marleys … das alles und noch viel mehr wird angesprochen und weckt durchaus Interesse. Auch wenn die Bilder und die Interviewpartner spannende Einblicke in das Leben auf Jamaica bieten: Es fehlt ein wenig die Richtung und der aktuelle Bezug – warum jetzt gerade dieser Film? Weil in diesem Jahr wieder eine WM ohne Jamaica stattfindet? Immerhin geht die Musik sofort ins Blut und in die Beine, die ehemaligen Freunde von Bob Marley, sind zwar alt, aber immer noch cool drauf, und die Witze über die „Herbs“ bringen selbst Winnie Schäfer zum Lachen.
 
Gaby Sikorski