Renzo Piano – Architekt des Lichts

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Ein Dokumentarfilm von Carlos Saura - das ist eine echte Überraschung. Es geht um die Entstehungsgeschichte eines neuen Kulturzentrums in Santander/Spanien, entworfen von Renzo Piano, der durch den Bau des Centre Pompidou in Paris weltbekannt wurde. Als Nischenfilm wird die kleine Produktion vermutlich eher Architektur- als Filmfans ansprechen, auch wenn Carlos Saura selbst die Gespräche mit Renzo Piano führt. Und das ist dann wirklich interessant: Zwei alte Herren tauschen sich über Kunst und Kreativität aus und zeigen, dass sie immer noch begeisterungsfähig sind.

Webseite: mindjazz-pictures.de

Dokumentarfilm
Spanien 2018
Regie: Carlos Saura
Drehbuch: Carlos Saura, Renzo Piano
62 Minuten
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 11. April 2019

FILMKRITIK:

Über mehr als sieben Jahre hat Carlos Saura den Bau des Centro Botín in Santander begleitet. Von der Planung über die Vorstellung des Entwurfs bis zur Eröffnung vergingen mehr als sieben Jahre. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Entwurfs, die Verzögerungen – nicht zuletzt durch Änderungen, die Renzo Piano selbst im Verlauf der Bautätigkeit vornimmt – werden dabei ebenso angesprochen wie die Beziehung der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in die Entstehung des Gebäudes involviert sind. Zwischendurch spricht Carlos Saura persönlich mit Renzo Piano, wobei sich zeigt, dass die beiden in vielen Ansichten übereinstimmen. Die Gemeinsamkeiten sind offensichtlich: Beide sind jenseits der Achtzig, beide sind große Ästheten und der eine wie der andere arbeitet mit Licht. Die Wechsel zwischen Licht und Schatten sind nicht nur für Filmleute form- und stilgebend, sondern auch für Architekten, von denen Renzo Piano einer der bekanntesten ist. Mit dem Centre Pompidou wurde er in den 70er Jahren berühmt, auf seine Pläne gehen öffentliche Gebäude, darunter viele Museumsbauten, in Europa und den USA zurück, wie die Oscar-Akademie in Los Angeles oder das Zentrum Paul Klee in Bern. Mittlerweile ist Renzo Piano in den Achtzigern, ein elegant lässiger, witziger und offener Herr, der mit ebenso viel Begeisterung über sein Werk spricht wie sein Gesprächspartner Carlos Saura, Jahrgang 32 und immer noch voller Leidenschaft für seine Arbeit. Die beiden alten Herren sind sich ziemlich einig, wenn es um das Zusammenwirken von Technik und Poesie geht. Beide haben ihr Leben lang damit zu tun gehabt und werden vermutlich nicht damit aufhören, nur weil sie alt sind. Bei diesen beiden kann man sich nicht vorstellen, dass sie jemals in den Ruhestand gehen. Und wenn Renzo Piano davon spricht, dass die Welt durch Schönheit zu retten sein könnte, dann ist das seine volle Überzeugung.
 
Carlos Saura zelebriert Renzo Piano nach allen Regeln der Kunst. Er zeigt sein Werk, das Centro Botín, ein Kulturzentrum, das zum neuen Wahrzeichen von Santander wurde, aus allen erdenklichen Perspektiven und in den unterschiedlichsten Stadien der Entstehung, als Computermodell in 3 D, als Aufriss, als Zeichnung und in immer wieder anderen, schönen Bildern, mit und ohne Drohne, in Heranfahrten, von oben und von unten. Das Gebäude am Meer mit seinen riesigen Glasflächen, der offenen Fensterfront zur See und der scheinbar schwebenden Position über dem Wasser übt offenbar eine besondere Faszination auf Carlos Saura aus. Renzo Piano wollte seinem Gebäude das Fliegen beibringen – es ist ihm gelungen, wobei die außergewöhnliche Oberflächenstruktur mit ihren Reflexionen ebenfalls vollkommen unterschiedliche Effekte erlauben. Carlos Saura jedenfalls scheint sich der Wirkung vollkommen hinzugeben. Vielleicht erklärt sich aus dieser Faszination die anfänglich feierliche Stimmung, die durch die Filmmusik, das Adagietto aus Mahlers 5. Sinfonie, verstärkt wird. Das sind sehnsuchtsvolle Klänge, die zwar auch etwas Schwebendes haben, aber doch insgesamt sehr getragen wirken. Später kommt deutlich mehr Schwung in die Bilder und in die Klänge. Interessant sind neben den Gesprächen zwischen Architekt und Filmemacher auch die Statements von Seiten der Stadt und der Bauherren sowie die Meinungen der Bürger, wobei sich bei einigen die Ablehnung der Planung in begeisterten Zuspruch nach Fertigstellung verwandelt. Wunderbare Bilder von der Eröffnung im Jahr 2017 bilden den Abschluss der kurzen Dokumentation, die zwar mit 70 Minuten, teilweise mit 80 Minuten ausgewiesen ist, aber tatsächlich in der vorliegenden Fassung lediglich ca. 61 Minuten dauert, und das, obwohl Renzo Piano am Ende noch einmal sein Statement vom Anfang wiederholt, vermutlich weil es sich dabei tatsächlich um sein Credo handelt. Hier wären eindeutige Angaben sinnvoll, auch wenn es natürlich sehr angenehm ist, wenn ein Film sich auf das Wesentliche beschränkt.
 
Gaby Sikorski