Sebastian und die Feuerretter

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Ein Junge, sein Hund und ein großes Abenteuer: Der 10-jährige Waisenjunge Sebastian lebt gemeinsam mit seinem Ziehvater César und der riesigen Pyrenäenhündin Belle mitten in den Bergen. Der Krieg ist gerade vorbei, und endlich soll Angelina zurückkommen, die für Sebastian Mutter und Schwester war. Doch dann stürzt das Flugzeug ab, in dem Angelina sitzt … Hier ist alles dran: Drama, Action, Humor und Romantik. Beim Wunsch, einem jungen Publikum alles recht zu machen, wurde hier gelegentlich übertrieben. Auch wenn der üppig ausgestattete Film etwas unter seinem arg konstruierten Drehbuch leidet, ist er dennoch ein spannendes Kinoerlebnis für nervenstarke große und kleine Leute.

Webseite: www.neuevisionen.de

Originaltitel: Belle et Sébastian, l’aventure continue
Regie: Christian Duguay
Drehbuch: Juliette Sales, Fabien Suarez
Darsteller: Félix Bossuet, Tchéky Karyo, Margaux Chatelier, Thierry Neuvic, Urbain Cancelier
Thylane Blondeau,
97 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 28. Januar 2016

FESTIVALS / PREISE:

20. Internationales Kinderfilmfestival „Schlingel“ Chemnitz, Bester Hauptdarsteller

FILMKRITIK:

Ein stabiles Nervenkostüm ist tatsächlich die wichtigste Voraussetzung, um diesen Film zu genießen. Die Erwachsenen werden es brauchen, um Sebastian zu ertragen, der als Inbegriff eines ungestümen Kindes vollkommen unberechenbar handelt und dabei jede Menge Dummheiten und gefährlichen Unsinn produziert. Dazu ist Félix Bossuet extrem niedlich und läuft mit gekonnt zerzaustem Haar wie das Musterbeispiel eines ebenso hübschen wie ungezogenen Kindes durch seinen Film. Das junge Publikum hingegen braucht eiserne Nerven, um die geschickt aufgebaute Spannung in einer komplizierten Geschichte zu genießen: Sebastian, ein Findelkind, erfährt, dass seine Vizemutter, eine ehemalige Résistancekämpferin, hoch dekoriert aus dem Krieg zurückkehrt. Die Militärmaschine, die sie in ihre Bergheimat zurückbringen soll, stürzt ab und löst dabei einen Waldbrand aus. Sebastian glaubt, dass Angelina noch lebt, und macht sich mit Belle, einem Hund, der über deutlich mehr Verstand verfügt als sein Herrchen, auf den Weg in die Gefahrenzone. Während Sebastian mit Belle nach Angelina sucht, macht sich der alte César, der Sebastian gefunden und großgezogen hat, auf den Weg, um den Jungen zu retten. Nebenbei stellt sich heraus, dass Sebastians Vater vielleicht ganz um die Ecke lebt, und Sebastian findet einen Freund, der eigentlich eine Freundin ist.
 
Cécile Aubry schrieb die literarische Vorlage. Sie war zunächst Schauspielerin, unter anderem berühmt durch ihre Rolle als Manon in dem gleichnamigen Filmklassiker von Henri Georges Clouzot. Später wurde sie eine bekannte Kinderbuchautorin, deren Werke in den 60er und 70er Jahren vor allem in ihrer französischen Heimat Bestseller waren. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum der Film es in den deutschen Kinos schwer haben könnte: Die Bücher sind hierzulande inzwischen kaum noch bekannt. Ein anderer Grund ist die Besetzung, die weder mit großen Namen noch, bis auf Tchéky Karyo als César, mit überragenden Leistungen überzeugt. Typisch für einen actionbetonten Film ist der Verzicht darauf, den Charakteren Zeit für die Entwicklung zu geben oder sie gar auszufeilen. Das ist ein bisschen schade, denn stattdessen dominieren oft Klischees und gelegentlich auch arg konstruierte dramatische und komische Handlungselemente, die wie aus einem mindestens 60 Jahre alten Handbuch für Drehbuchautoren gepflückt scheinen und in zahllosen Filmen und Büchern erprobt wurden: ein Waisenkind mit unbekannten Eltern; aber natürlich gibt es ein Amulett, das sich als wichtiges Erkennungszeichen entpuppt, dazu ein Junge, der auf den ersten Blick als verkleidetes Mädchen erkennbar ist, und ein kluger Hund, der sein Herrchen aus den größten Gefahren rettet. Und von denen gibt es reichlich, denn hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt und wirklich was geboten: Alte Flugzeuge, die halsbrecherisch zwischen Berggipfeln herumkurven, dazu eine spektakuläre Notlandung, ein schrecklicher Waldbrand, Angriffe wilder Tiere, ein paar schicke Explosionen sowie Schluchten, Felsen und Höhlen in rauen Mengen. Kein Wunder, denn Regisseur Christian Duguay profilierte sich im Kino zunächst mit Actionreißern wie „Hydrotoxin – Die Bombe tickt in dir“ (1992).
 
Der Schauwert des temporeichen und spannenden Films ist groß, mit unterschiedlichsten Special Effects wird ebenso wenig gegeizt wie mit herrlichen Landschaftsaufnahmen. Selbstverständlich gibt es auch einen, wenn auch einigermaßen diskreten pädagogischen Lerneffekt, denn immerhin lernt der ungestüme Sebastian im Verlauf der Handlung, sich etwas zu zügeln. Und ohne zu viel zu verraten, dürfen Eltern ihren Kindern bei Bedarf zusichern, dass trotz aller Aufregung – wie es sich für einen Familienfilm gehört – am Ende alles gut werden wird.
 
Gaby Sikorski