Silence Breakers (The Good Soldier)

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Die Besetzung der palästinensischen Gebiete ist ein Stachel in der Moral Israel, der Staat, der sich gern als einzige Demokratie des Nahen Ostens versteht. Doch auch Demokratien können Unrecht begehen, wie Silvana Lansmann in ihrem Dokumentarfilm „Silence Breakers“ beschreibt, der auf nüchterne, so neutral wie mögliche Weise die Arbeit einer NGO zeigt, die auf Missstände der Armee und der Besatzung Aufmerksam machen will.

Webseite: https://www.realfictionfilme.de/silence-breakers.html

Israel/ Frankreich/ Deutschland 2021
Regie: Silvina Landsmann
Dokumentarfilm
Länge: 88 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 24. März 2022

FILMKRITIK:

BtS heißt die Organisation (nicht zu verwechseln mit der vor allem in Deutschland umstrittenen Gruppe BDS-Boycott, Divestment and Sanctions), was für „Breaking the Silence“ steht, das Schweigen brechen. Es ist eine Nichtregierungsorganisation, die vor allem aus ehemaligen israelischen Soldaten besteht, die während ihres Wehrdienstes in den von Israel besetzten Palästinensergebieten eingesetzt und dort – so sieht es die NGO – zu unmoralischem Verhalten gezwungen waren.

Zu den Aufgaben gehörte es, Palästinenser zu kontrollieren, um nicht zu sagen zu schikanieren, radikale Siedler zu beschützen, auch wenn diese oft in illegalen Siedlungen leben, aber auch die willkürliche Räumung von Häusern, in denen nachweislich friedliche Palästinenser leben. Dass die betreffenden Palästinenser friedlich sind, ist sogar nicht etwa ein Versehen, sondern ganz bewusste Entscheidung, wie ein BtS-Mitglied an einer besonders erschütternden Stelle berichtet: Der Schin Bet – der israelischen Inlandsgeheimdienst – sucht bewusst Häuser zur Besatzung aus, in denen friedliche Palästinenser leben, denn von denen sei keine Gegenwehr zu erwarten. Ist dagegen eine Verbindung zu Radikalen oder gar Terroristen bekannt, wird auf eine Besetzung verzichtet, damit kein Feuergefecht entsteht.

Solche absurden Momente zeigt die aus Argentinien stammende Regisseurin Silvana Lansmann in nüchternen, bewusst zurückhaltenden Bildern. Keine Kommentarspur ordnet das Gezeigte ein, keine Interviews oder Musik gibt es. Einseitig ist „Silence Breakers“ dennoch nicht – zumindest so wenig, wie es ein Dokumentarfilm sein kann, der natürlich eine offensichtliche politische Haltung einnimmt. Wenn Lansmann mit ihrer Kamera die Aktivisten beobachtet, wie sie auf Führungen in den besetzten Gebieten, nicht zuletzt der größten Stadt Hebron auf Widerstand stoßen, mit Einwohnern oder Siedlern diskutieren, kommen auch kritische Stimmen zu Wort.

Die belaufen sich zum Teil auf bekannte und wenig ernst zu nehmende Abwehrversuche, wie die Behauptung, das BtS den Antisemitismus schürt, schlecht für das Image Israels sei oder ignoriert, das im Holocaust sechs Millionen Juden ermordet wurden, man sich also nur selbst verteidigen würde. Interessanter sind da schon die Vorwürfe, die der Organisation von offizieller Seite gemacht werden: Bewusst soll BtS junge Rekruten in bestimmte Regionen geschickt haben, um an belastende Informationen zu kommen, ein Vorwurf, der sogar vor israelischen Gerichten behandelt, aber letztlich zurückgewiesen wurde.

Welchen Effekt die Arbeit der 2004 gegründeten Organisation hat, ist schwer zu messen. Der Widerstand, der den Aktivisten beim Verteilen von Flyern auf den Straßen Tel Avivs, bei Veranstaltungen und vor allem in den besetzten Gebieten entgegenschlägt, ist jedoch immens. Mit großem Unverständnis reagieren viele Israelis auf die Forderungen von BtS, fühlen sich angegriffen, um nicht zu sagen bedroht, zeigen bisweilen gar Spuren von Indoktrination. So sehr ist in den Köpfen mancher die Rechtfertigung für die Besatzung verankert, dass ganz Palästina ein Teil Israels zu sein habe, schließlich sagt das schon die Bibel, dass ein Verstehen der Sorgen und Nöte eines anderen Volkes gar nicht mehr möglich scheint. Vor einer Sisyphus-Aufgabe scheinen die Vertreter der NGO zu stehen, zumal es in der heutigen Zeit immer schwieriger wird, von extremen schwarz-weiß Positionen abzugehen und einen Mittelweg zu finden.

 

Michael Meyns