Still here

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Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die der Regisseur Vlad Feier von Los Angeles nach New York verlegt hat – weil seiner Meinung nach die Dynamik der Stadt eine andere Dramatik mit sich bringt. Er erzählt von einem vermissten Mädchen, für das sich die Polizei nicht interessiert. Weil es schwarz ist. Erst als ein Reporter sich der Sache annimmt, kommt auch die Polizei in Bewegung. „Still Here“ ist ein unaufgeregter, stiller Film ohne Star-Power. Nicht unbedingt das, womit sich viele Leute ins Kino ziehen lassen können. Sehenswert ist der Film aber allemal.

Website: www.kinostar.com/filmverleih/still-here/

Still Here
USA 2020
Regie: Vlad Feier
Buch: Vlad Feier, Peter Gutter
Darsteller: Johnny Whitworth, Maurice McRae, Zazie Beetz
Länge: 97 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 27. August 2020

FILMKRITIK:

Fast eine halbe Million Kinder sind in den USA vermisst – es sind aktive Fälle, die noch zu keiner Auflösung geführt haben. Eine gigantische Zahl, die Vlad Feier zum Nachdenken brachte, insbesondere als er einem realen Fall folgte und den Entschluss fasste, dass er dazu etwas zu sagen hatte. Zuerst dachte er daran, einen Dokumentarfilm über vermisste Kinder zu machen, entschied sich dann aber für das fiktive Format, weil er der Meinung war, dass es weit mehr Zuschauer erreichen würde.

Die zehnjährige Monique Watson ist verschwunden. Ihr Vater Michael sucht nach ihr, da die Polizei schon nach wenigen Stunden und einer halbgaren Suche aufgegeben hat. Als ein Reporter auf die Geschichte aufmerksam wird, kommt Bewegung in die Angelegenheit. Weil er einen Verdächtigen findet, auf den die Polizei gar nicht gekommen ist. Aber auch, weil das Interesse der Öffentlichkeit plötzlich groß ist und die Polizei darum in Zugzwang gerät. So sehr, dass ihr praktisch jeder Verdächtige Recht ist.

Feier hat solide, aber unspektakulär inszeniert. Er will mit nichts von der Geschichte ablenken. Im Gegenteil, sie soll ganz und gar im Mittelpunkt stehen, so sehr sogar, dass im Ensemble auch kaum ein bekannter Name zu finden ist. Zazie Beetz, die mit „Deadpool 2“ und „Joker“ Hits hatte, taucht erst nach gut einer Stunde auf. Dafür setzt Feier auf Mimen, auf die man sich einlassen kann. Sie wirken überzeugend, authentisch. Dass man sie nicht kennt, beschwört dieses Gefühl von Realismus noch mehr herauf.

„Still Here“ ist interessant, weil er die Verzweiflung zeigt, die ein Vater fühlt, wenn ihm die Tochter entrissen wird. Er prangert aber auch ein System an, in dem Fälle durch die Ritzen fallen. Und zwar aus dem einzigen Grund, dass das Opfer schwarz ist. Der Film erzählt so auch vom immer vorhandenen Rassismus, der sich nicht nur im aktiven Handeln, sondern auch im passiven Desinteresse manifestiert. Das macht den Film gerade heute brandaktuell, ohne dass er jedoch als Brandbeschleuniger wirkt. Er ist nicht darauf aus, Furor zu erzeugen. Vielmehr versteht sich der Film als Bestandsaufnahme.

Der Film ist wie durch das Auge eines Dokumentarfilmers erzählt, versteht aber auch, im dramatischen Ansatz zu punkten, da er von echtem Gefühl erzählt. Von Verzweiflung, von Angst, von Traurigkeit, aber auch von Hoffnung. Ob diese hier am Ende belohnt wird, muss der Zuschauer selbst herausfinden.

Peter Osteried