The Favourite – Intrigen und Irrsinn

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Einen waschechten Kostümfilm hätte man vom griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos kaum erwartet, doch sein „The Favourite - Intrigen und Irrsinn“ ist weniger gediegen als wahnsinnig, betont weniger das oberflächliche Zeremoniell zu Hofe, als die allzu menschlichen Triebe, die sich hinter der Fassade verbergen. Ein bitterböser, brillanter Film.

Webseite: www.thefavourite-derfilm.de

Großbritannien 2018
Regie: Yorgos Lanthimos
Darsteller: Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, Nicholas Hoult, Joe Alwyn, James Smith, Mark Gatiss.
Länge: 120 Minuten
Verleih: FOX
Kinostart: 24. Januar 2019

FILMKRITIK:

Der englische Hof im frühen 18. Jahrhundert. Nominell regiert Königen Anne (Olivia Colman) das Königreich, doch die Regentin schlägt sich mit allerlei Krankheiten rum und beschäftigt sich lieber mit ihrer bunten Galerie Hasen, als mit den Streitigkeiten zu Hof und vor allem der Außenpolitik. So ist es ihre Hofdame Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz), Gattin von Lord Marlborough (Mark Gatiss), seines Zeichens Kommandant der britischen Armee und in einen Krieg mit Frankreich verwickelt ist, die Anne einflüstert und manipuliert.
 
Diese Position wird durch die Ankunft ihre Kusine Abigail Hill (Emma Stone) gefährdet. Einst ebenfalls eine Lady, die durch die Spielschulden ihres Mannes in Ungnade fiel, versteht es Abigail ausgezeichnet, das Vertrauen der Königin zu gewinnen. Bald hat sie Sarah als Vertraute - und als Geliebte - ersetzt und versucht nun ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Doch auch Harley (Nicholas Hoult), der Anführer der Torys, die eine liberalere Politik verfolgen als ihre Gegner, die Whigs, versucht via Abigail die Geschicke des Staates zu beeinflussen.
 
Erstaunlicherweise sind weite Teile der Handlung von Yorgos Lanthimos Drama „The Favourite“ historisch belegt, die Intrigen am Hof von Königen Anne, auch die Rolle ihrer Hofdamen Sarah Churchill (direkte Vorfahrin des legendären Winston) und Abigail Hill, die erbittert um den Einfluss auf die Königin stritten. Alles ist belegt, bis auf die lesbischen Beziehungen, über die gemunkelt wurde, für die es aber keinerlei Belege gibt.
 
Es überrascht nun nicht zu lesen, dass seit 20 Jahren versucht wurde „The Favourite“ zu drehen, es aber erst jetzt gelang, was durchaus passend scheint. Ähnlich wie „Maria Stuart. Königin von Schottland“ ist auch „The Favourite - Intrigen und Irrsinn“ ein moderner Blick auf eine vergangene Zeit, ist gleichzeitig genaue historische Rekonstruktion, aber auch moderne Projektion. Ganz zeitgemäß mutet es an, dass hier drei Frauen die Hauptrollen spielen, dass drei Frauen um die Macht im Staat streiten, mit allen Mitteln ihre Interessen durchzusetzen versuchen, während die Männer nur Staffage, ja, schmückendes Beiwerk sind, so wie sonst - gerade im Kino - die Frauen.
 
Das Yorgos Lanthimos durch seine stilistischen Entscheidungen - vor allem eine extrem mobile Handkamera, die in weiten Objektiven oft ganz nah an die Figuren herangeht und sie noch mehr zu den Karikaturen verzerrt, die sie durch die exaltierten Kostüme und Masken ohnehin sind - die absurden Elemente dieser Welt noch betont, lässt „The Favourite“ zu einer bitterbösen Satire werden. Unzweifelhaft muss man hier immer wieder an Stanley Kubricks „Barry Lyndon“ denken, der mit ähnlicher Schärfe das Geschehen zu Hofe sezierte, doch Lanthimos geht noch weiter. Wie schon in Filmen wie „Dogtooth“ und „The Lobster“, geht es auch hier um Machtspiele und Manipulationen, die bei aller historischen Distanz jedoch fraglos auch als Spiegelbild der Gegenwart fungieren sollen. Bezüge zu den Absurditäten der Trump-Administration mag man ebenso finden wie solche zu den Oberflächlichkeiten der Schönen und Reichen, denen in der modernen Medienwelt viel zu viel Aufmerksamkeit zu Teil wird. Kaum ein gutes Haar lässt Lanthimos an dieser Welt, an diesen Figuren und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen wirkt „The Favourite - Intrigen und Irrsinn“ bei allen Absurditäten und Abgründen am Ende zutiefst menschlich.
 
Michael Meyns