The Party

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Es war die mit Abstand beste Party der Berlinale: In 71 höchst kurzweiligen Minuten zündet Sally Potter ein cineastisches Feuerwerk vom Feinsten (und das in Schwarz-Weiß!). Die künftige Ministerin im Schattenkabinett lädt ihre besten Freunde zur intimen Feier ins traute Heim. Doch das Fest gerät unerwartet zum Fiasko. Kleine Geheimnisse und große Lebenslügen fliegen den Gästen immer schneller um die Ohren. Ein exzellentes Ensemble zelebriert die schillernden Figuren samt ihrer funkelnden Dialoge mit spürbarem Vergnügen. Dass die Bären-Jury daran kein Gefallen fand, lässt sie in die Ignoranten-Liga der „Erdmann“-Trottel von Cannes absteigen. Das Publikum dürfte da abermals klüger entscheiden - wie bereits schon die „Gilde Filmpreis“-Juroren.

Webseite: www.theparty-derfilm.de

GB 2017
Regie: Sally Potter
Darsteller: Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer, Cillian Murphy, Kristen Scott Thomas, Timothy Spall
Filmlänge: 71 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 27.7.2017

AUSZEICHNUNGEN:

Gilde Filmpreis für den besten Film im Wettbewerb der Berlinale 2017
Aus der Begründung der Jury: „Mit einem herausragenden Schauspieler-Ensemble gelingt Sally Potter mit beißendem Witz und geschliffen scharfen Dialogen ein spannender Blick in einen Freundeskreis der gesellschaftlichen Oberschicht, der sich in Selbstgefälligkeit und existentiellem Überdruss selbst demontiert.“

FILMKRITIK:

„A comedy of tragic proportions“ verspricht der Untertitel mit typisch britischer Lässigkeit. Tatsächlich wird ziemlich viel auf dem Spiel stehen im Verlauf dieser Feier unter Freunden, die so harmlos harmonisch begann. Die Politikerin Janet (Kristin Scott Thomas) hat allen Grund, die Korken knallen zu lassen. Gerade wurde sie zur Gesundheitsministerin im Schattenkabinett ihrer Partei gekürt. Zum Umtrunk im trauten Heim erscheinen die langjährige Freundin April (Patricia Clarkson) samt deutschem Gatten Gottfried (Bruno Ganz). Desweiteren das intellektuelle Lesbenpärchen Martha (Cherry Jones) und Jinny (Emily Mortimer), das gleichfalls Grund zum Feiern hat. Last not least der junge Investmentbanker Tom (Cillian Murphy), dessen Ehefrau Marianne sich „leider etwas verspätet“, wie er wortreich betont.
 
Während Hausherr Bill (Timothy Spall) etwas griesgrämig seinen Rotwein schlürft und am geliebten Plattenspieler für die Musik sorgt, plaudern die Ladys angeregt in der Küche. Trotz Karrieresprung ist sich die künftige Ministerin fürs Häppchen-Backen nicht zu schade. Der auffallend nervöse Tom flüchtet derweil erst einmal ins Badezimmer. Koks mag zum Handwerkszeug des Karrieristen gehören - aber was versteckt er unter seinem maßgeschneiderten Jackett?   
 
Ein Sektkorken, der die Fensterscheibe zerbrechen lässt, wird noch mit „Scherben bringen Glück“-Sprüchen bekichert. Dann folgt der richtige Hammer: „Ich habe eine Ankündigung zu machen!“ grummelt Bill. Seine Erklärung schlägt ein wie eine Bombe und wird alle Anwesenden aus der Bahn werfen. Die eine schreibt noch hastig eine SMS. Der andere verschwindet abermals im Badezimmer. Aber selbst der ewige Optimist und New-Age-Guru Gottfried erkennt: „Das ist keine sehr gute Situation!.“
 
Ein Kammerspiel in Echtzeit? Da muss das Drehbuch schon ein sehr gut sortiertes Figurenkabinett, plausible Konflikte sowie ein perfektes Timing aufbieten. Nicht nur all das gelingt der britischen Autorin und Regisseurin Sally Potter mit scheinbar müheloser Eleganz. Ihr russischer Kameramann Aleksei Rodionov (mit dem schon „Orlando“ und „Yes“ entstanden), zaubert in dem beengten Wohnraum kunstvolle Tableaus in Schwarz-Weiß - selbst die schnöde Mülltonne im Garten bekommt in diesem dynamisch visuellen Konzept eine ganz besondere Bedeutung.  
 
Richtig zünden kann solch eine bitterböse Burleske über die feine Akademiker-Gesellschaft und ihre Abgründe freilich nur mit einem hochkarätigen Ensemble. Die Spielfreude dieser charismatischen Sieben überzeugt in jeder Szene. Ganz genüsslich spielt man sich die Bälle und Pointen zu, ob beim philosophisch-existentialistischen Wortgefecht („Männer sind nicht die Feinde!“) - oder dem ganz banalen Faustschlag.
 
Dieter Oßwald