The Vatican Tapes

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Die Kirche und besonders der Vatikan sind immer für eine Verschwörungstheorie gut, das dachten sich wohl auch Christopher Borelli und Chris Morgan und imaginierten für ihren Exorzismus-Thriller „The Vatican Tapes“ ein Geheimverlies im Vatikan, in dem Aufzeichnungen über die Existenz des Antichristen aufbewahrt werden. Aus diesem Stoff formt Marc Neveldine einen kurzen, knackigen und effektvollen Thriller.

Webseite: www.24bilder.net

USA 2015
Regie: Mark Neveldine
Buch: Christopher Borelli und Chris Morgan
Darsteller: Olivia Dudley, Dougray Scott, Michael Pena, Peter Andersson, Djimon Hounsou, Michael Pare
Länge: 85 Minuten
Verleih: Universum, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 30. Juli 2015
 

FILMKRITIK:

Unsanft wird die junge Angela (Olivia Dudley) aus ihrem beschaulichen Leben gerissen. Eine kleine Verletzung, zugefügt von einem Raben, verändert ihr Wesen und sorgt in ihrer Umgebung für unerklärliche Vorfälle, Unfälle, sogar Todesfälle. Selbst der örtlichen Psychiatrie ist Angela schnell zuviel und so nimmt sich schließlich Pater Lozano (Michael Pena) der Frau an. Doch auch er stößt bald an die Grenzen seiner Fähigkeiten und fordert Hilfe von oben: Aus dem Vatikan. Dort leitet Kardinal Bruun (Peter Andersson) eine Art Spezialabteilung, die sich mit dem seit Jahrhunderten erwarteten Auftritt des Anti-Christen beschäftigt. In den Tiefen des Vatikans liegen Aktenkilometer verborgen, in denen allerlei merkwürdige Ereignisse aufgezeichnet sind, die für den Durchschnittsbürger kaum mehr als unerklärliche Phänomene sind, für den Eingeweihten jedoch eindeutige Zeichen für das Nahen der Apokalypse. Nun scheint der Teufel also Angela als Körper benutzt zu haben, was jedoch nichts ist, was ein gepflegter Exorzismus nicht lösen kann. Doch diesmal scheint selbst die Macht des Vatikans zu schwach zu sein.

Erstaunlich religiös ist der amerikanische Horrorfilm immer wieder, beschwört Besessenheit, unerklärliche Phänomene, die oft als fast göttliche Strafe für einen unsittlichen Lebenswandel herhalten müssen. Spätestens seit William Friedkin 1973 mit „Der Exorzist“ einen der erfolgreichsten Horror-Thriller drehte, greift das Kino immer wieder auf das Thema der Besessenheit zurück, von der nur ein Mann Gottes das Opfer – erstaunlich oft eine junge, betont unschuldig dargestellte Frau – befreien kann. In diesem Fall heißt diese Frau auch noch Angela, womit geradezu explizit ausgesprochen wird, dass sie ein gefallener Engel ist.

Angesichts ihrer Fähigkeiten vermutet der Vatikan gar, dass sie der Antichrist ist, der als Gegenpol zu Jesus quasi die Apokalypse einleitet. Nicht zuletzt an dieser Stelle hätten wohl die titelgebenden Aufzeichnungen eine Rolle spielen sollen, die sich angeblich in den Tiefen des Vatikans befinden. Auf das in den letzten Jahren gerade beim für wenig Geld produzierten Genre-Film so beliebte Prinzip des Found-Footage – das mit seiner wackeligen Handkamera andeuten soll, dass es sich hier um zufällig und amateurhaft gedrehtes Material handelt – scheint „The Vatican Tapes“ hier zurückgreifen zu wollen. Immer wieder werden Aufnahmen von Überwachungskameras eingeblendet, auch TV-Bilder gezeigt, doch eigentlich interessiert sich Regisseur Marc Neveldine für Anderes.

Schon in seinem letzten Film „Ghost Rider 2“ hatte er mit Nicolas Cage in der Hauptrolle einen finsteren Untoten gezeigt, der sich durch und durch anarchisch, wüst und dezidiert unchristlich verhält. Und auch wenn „The Vatican Tapes“ lange Zeit wie ein typischer, religiös angehauchter Exorzismus-Thriller wirkt, bei dem am Ende das Böse durch den Glauben an Gott vertrieben wird: Zunehmend wird klar, dass hier das Böse nicht zu besiegen ist und schon längst seinen Platz in der Welt gefunden hat. So wird „The Vatican Tapes“ schließlich zu einem erstaunlich nihilistischen Film, der das Scheitern der Kirche in den Mittelpunkt stellt.
 
Michael Meyns