Allein die Location von „Twilight of the Warriors: Walled In“ ist spektakulär und unfassbar kinetisch: Die Kowloon Walled City, ein gigantischer Häuserblock in Hong Kong, der in den 80er Jahren der am dichtesten besiedelte Ort der Welt war. Hier spielt So Chaengs melodramatisches Actionspektakel, das meist sehr erfolgreich versucht, an die goldene Ära des Hong Kong-Actionkinos anzuknüpfen.
Jiu Long cheng zhai · Wei cheng
Hong Kong 2024
Regie: So Cheang
Buch: Au Kin-yee, Shum Kwan-sin, Chan Taili, Lai Chun.
Darsteller: Louis Koo, Raymond Lam, Terrance Lau, Philip Ng, Tony WuTsz Tung, German Cheung, Richie Jen
Länge: 126 Minuten
Verleih: Plaion Pictures
Kinostart: demnächst
FILMKRITIK:
Der chinesische Immigrant Chan Lok-kwan (Raymond Lam) versucht sich in Hong Kong durchzuschlagen und endlich eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Mit illegalen Kämpfen verdient er sein Geld, doch als er vom Gangsterboss Mr. Big (Sammo Hung) betrogen wird, stiehlt er einen Sack Drogen und landet nach einer rasanten Flucht in der Kowloon Walled City.
Verbotenes Gebiet für die Schergen von Mr. Big, denn hier herrscht der Triadenboss Cyclone (Louis Koo), den eine düstere Vergangenheit mit Mr. Big verbindet. Fortan verdingst sich Chan als Mädchen für alles und erobert sich so einen Platz im dichten Geflecht an Menschen und Geschäften, das die Walled City zu einem brummenden Moloch macht. Doch die Vergangenheit holt die Protagonisten ein und bald stehen sich die beiden Fraktionen in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber.
Die echte Kowloon Walled City wurde Mitte der 90er Jahre abgerissen, in ihren letzten Jahren diente sie als Set für etliche Hong Kong-Actionfilme. Für „Twilight of the Warriors: Walled In“ ließ So Cheang die legendäre Siedlung in Teilen wiederaufbauen: Winzige Wohneinheiten, enge Gassen, Tunnelartige Konstruktionen, in denen dutzende Kabel aller Art hängen und zusammen ein Labyrinth bilden, in dem sich jeder Außenstehende unweigerlich verlaufen muss. Und das für inspirierte Actionchoreographen ein gefundenes Setting für spektakuläre Actionszenen darstellt, in denen die Enge zum Zweckmittel wird. Auch wenn gerade zum Ende hin der Einsatz von Computereffekten etwas Überhand nimmt: Meist inszeniert So Chaeng einen wunderbar altmodischen Film, in dem auf schwerelose Weise durch Türen und Fenster gesprungen wird, Tische und Stühle zu Kampfrequisiten werden und am Ende weniger der stärkste, als der geschickteste siegt.
Ebenso altmodisch muten die Figuren an, die klassischen Werten wie Ehre und Loyalität folgen, für ihren Boss alles tun und dabei fast ohne Frauen auskommen. Ein wenig anachronistisch mutet es an, dass in „Twilight of the Warriors: Walled In“ praktisch keine Frau mehr als ein paar Worte sagt, fast ausschließlich Männer agieren und sich um ihre Männlichkeit sorgen. Aber auch dieses Testoseronüberschuss mutet am Ende wie eine Reminiszenz an eine längst vergangene Zeit an, als das Hong Kong-Kino noch anders funktionierte, vor allem an eine Zeit, als Hong Kong noch nicht Teil von China war, sondern zwar eine britische Kronkolonie, die aber dennoch in einem Maße unabhängig agierte, wie es inzwischen nicht mehr denkbar erscheint.
Als politische Allegorie über den Kampf der Systeme mag man „Twilight of the Warriors: Walled In“ verstehen, zumindest im Ansatz. Allzu deutlich kann So Chaeng nicht werden, ansonsten wäre ihm der Weg auf den wichtigen chinesischen Markt versperrt, wo sein Film schon sehr erfolgreich läuft. Aber auch ohne wirkliche Subtexte überzeugt sein Film als mitreißendes, melodramatisches Actionspektakel, das zwar etwas aus der Zeit gefallen wirkt, aber viel Spaß macht.
Michael Meyns