unRuhezeiten

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Das wahre Drama spielt sich nicht auf den Brettern ab, die die Welt bedeuten, sondern hinter den Kulissen eines Theaters, gerade wenn es in der Krise steckt. Das mag man aus Eike Weinrichs Theater-Film „unRuhezeiten“ mitnehmen, der mit pointierten Dialogen und Beobachtungen Leben, Leid und Elend an einem typischen deutschen Stadttheater auf die Hörner nimmt.

Webseite: www.der-filmverleih.de

Deutschland 2018
Regie: Eike Weinreich, Alexej Hermann
Buch: Eike Weinreich, Sergej Lubic
Darsteller: Jürgen Sarkiss, Hans Meiser, Hartmut Stanke, Moritz Peschke, Thieß Brammer, Herbert Fritsch, Ulrich Matthes, Annika Meier
Länge: 85 Minuten
Verleih: Der Filmverleih
Kinostart: 31. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Am Stadttheater des ebenso sprechenden wie fiktiven Armstadt steht ein Wechsel des Intendanten an: Der scheidende Leiter zieht sich beleidigt in sein Büro zurück, während die Schauspieler sich fragen, wie es mit ihren ohnehin nicht sehr weit entwickelten Karrieren weitergehen wird.
 
Auf der Bühne wird mehr oder weniger emsig geprobt, hinter den Kulissen wird integriert, geflirtet und die Flucht nach Berlin geplant, Eitelkeiten gepflegt, Unsicherheiten mehr schlecht als recht überspielt.
 
Und dann ist da noch der (über)ambitionierte Jungregisseur, der die Akteure bei den Proben zur Orest mit seltsamen Interpretationen und vor allem der auch nicht mehr revolutionären Idee, auf der Bühne mit Filmeinspielungen zu hantieren, irritiert. Immer deutlicher wird die Wahrheit des oft zitierten Shakespeare-Ausspruch klar: „Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler.“
 
Seit den Anfängen des Kinos durchlebte die Verbindung Film-Theater viele Stadien: Theaterstücke waren stets und sind immer noch beliebte Vorlagen für filmische Adaptionen, seit den 90ern werden zunehmend erfolgreiche Filme auf die Bühne gebracht, hinzu kommen immer wieder Backstage-Filme, in denen hinter die Kulissen des Theaters geblickt wird. Zu dieser Kategorie gehört auch Eike Weinreichs Film „unRuhezeiten“ der aus der Arbeit am Stadttheater Oberhausen schöpft, wo Weinreich einige Jahre Ensemble-Mitglied war.
 
Aus eigener Erfahrung kennt er also das Leben am Theater, kennt die kleinen und großen Eitelkeiten, die Schauspieler und Regisseure plagen, kennt die finanziellen Nöte, die zu Streichungen und Kürzungen führen, weiß um die ständigen Sinnfragen, die alle Beteiligten umtreiben. Aus dem Nähkästchen erzählt ist „unRuhezeiten“ also, was man den pointierten Situationen und Dialogen anmerkt, die oft ins Schwarze treffen: „Hakenkreuze: Das ist so 90er. Sich im Blut wälzen, das machen die selbst in Mainz“ heißt es da einmal, was gerade dann witzig ist, wenn man mit den speziellen Eigenheiten des deutschen Regietheaters vertraut ist. Die meisten Pointen und Verweise funktionieren hermetisch und verlangen ein gewisses Vorwissen. Ist dieses vorhanden, unterhält „unRuhezeiten“ als treffende Sezierung der Strukturen der deutschen Theaterszene. Fehlt es, wird viel schneller deutlich, dass die streng nach Theater-Mustern in Prolog/Komplikation/Peripetie/Retardation strukturierte Handlung nur ein loses Gerüst ist, an das die einzelnen Szenen gehängt sind. Ein Insiderfilm also, ein oft böse-satirischer, pointierter Blick hinter die Kulissen des ganz normalen Stadttheater-Wahnsinns.
 
Michael Meyns