Verplant

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Vom Balkan über den Iran, Zentralasien, China bis nach Vietnam. All diese und noch weit mehr Länder und Regionen lassen die Freunde Tobias John und Matthias Schneemann auf ihrer Reise hinter sich. Mit ihren Rädern erkunden sie fremde Kulturen und exotische Orte, bekommen es aber auch mit allerlei Hindernissen zu tun: vom chinesischen Überwachungsapparat bis zur iranischen Bürokratie. „Verplant“ ist ein sympathischer, mit Liebe zum Detail realisierter filmischer Erlebnisbericht. Er verzichtet zwar nicht auf alle typischen, bisweilen abgenutzten Reise-Doku-Elemente, am Ende aber überwiegt ein positiver Eindruck. Dank eines hohen Informationsgehalts, charmanter Animationen und herrlicher Naturbilder.

Website: www.im-film.de

Deutschland 2020
Regie: Waldemar Schleicher
Darsteller: Tobias John, Matthias Schneemann
Länge: 108 Minuten
Verleih: imFilm
Kinostart: 22.04.2021

FILMKRITIK:

Es ist ein waghalsiges Unterfangen, dass sich die beiden Heiligenstädter Tobias John und Matthias Schneemann vorgenommen haben: Von Thüringen aus wollen sie entlang der alten Seidenstraße bis nach Ho-Chi-Minh-Stadt fahren. Im Sommer 2018 starten die beiden jungen Männer – weitestgehend untrainiert und ohne sich allzu akribisch auf die bevorstehende Route vorbereitet zu haben. Wird ihr auf 10 Monate angelegter Trip um die Welt gelingen?

In den vergangenen Jahren wurde der Markt mit Reise-Dokumentationen regelrecht überschwemmt. Zum Problem werden diese auf Spielfilmlänge ausgedehnten Reiseberichte immer dann, wenn es für den Zuschauer wenig Neues zu sehen oder es keine Erkenntnisgewinne gibt. So entsteht häufig zu wenig Abwechslung, wenn die Macher nur ein Land oder Kontinent bereisen. So geht es in „Australien in 100 Tagen“ eben nur um das Land Down Under oder in der Doku „Projekt Antarktis“ einzig um das am Südpol gelegene Land- und Meeresgebiete. Halbstündige Doku-Formate fürs TV wären dann manches mal besser geeignet.

Eintönigkeit und fehlende inhaltliche Vielfalt kann man „Verplant“ nicht vorwerfen. Und dies liegt nicht nur daran, dass die beiden Weltreisenden mannigfaltige Destinationen erreichen und die verschiedensten Länder bereisen. Denn sie nehmen sich auch Zeit, die entsprechenden Regionen zu erkunden und sie dem Betrachter näher zu bringen. Zudem erleben sie bisweilen die Restriktionen der örtlichen Politik am eigenen Leib. Doch dazu später mehr.

15 Länder durchqueren die Beiden auf ihren Rädern, wodurch sich letztlich die vergleichsweise üppige Laufzeit von knapp 110 Minuten erklärt. In der ersten halben Stunde bewegt sich der Film auf bekannten Reise-Doku-Pfaden und hakt zu pflichtbewusst und vorhersehbar die ersten Länder, darunter Österreich, Serbien und Rumänien, ab. Richtig interessant und spannend wird es, sobald die Freunde in die entlegenen, exotischen Gebiete vordringen. Und mit den Besonderheiten und Widrigkeiten vor Ort zu kämpfen haben.

So malen die Mühlen der Bürokratie zum Beispiel im Iran extrem langsam. In Teheran werden die Beiden von einem Amt zum nächsten geschickt und müssen bei der Wartezeit auf ihren Pass vor allem eines beweisen: Geduld. Imposante Landschaftsaufnahmen bringen sie aus Turkmenistan mit. Einem zentralasiatischen Land am Kaspischen Meer, das größtenteils von einer Wüste bedeckt ist. Zwischendurch präsentieren John und Schneemann skurrile Infos und Fun-Facts.

So erfahren wir, dass der turkmenische Präsident aufgrund seiner Vorliebe für die Farbe Weiß alle schwarzen Autos im Land verboten hat. Oder dass der frühere Staatschef die Wochentage und Monate nach seinen Familienmitgliedern umbenannte. Dazwischen sind liebevoll umgesetzte Trick-Animationen zu sehen, die die vorherigen Ereignisse passend illustrieren und auf visueller Ebene stimmungsvoll ergänzen.

Die Hindernisse und Probleme während der Reise sind hingegen weniger überraschend: Es gibt Kälteeinbrüche (in Kirgisien), Reifenpannen und krankheitsbedingte Rückschläge. Am stärksten ist der Film, wenn er zeigt, wie rigoros und autoritär die chinesische Führung selbst mit harmlosen (Fahrrad-)Touristen umgeht.

Wie restriktiv und rückständig das politische System des Riesenreichs ist, weiß man zwar. Doch „Verplant“ dokumentiert gleichsam den strengen Umgang mit Touristen, der zeigt, wie sehr Vorbehalte, Verdächtigungen und Vorverurteilungen in den Köpfen der Menschen verankert sind. Sieben Mal in nur 50 Kilometern werden John und Schneemann angehalten und kontrolliert. Die Grenzer checken ihr Videomaterial, das Gepäck und die Festplatten. Am Ende müssen die Deutschen eine Überwachungs-App auf ihre Smartphones laden. Wenn sie dann aber am Ende den beeindruckenden Wolkenpass in Vietnam erreichen, entschädigt der Anblick für die vorherigen Anstrengungen und Rückschläge.

Björn Schneider