wandelnde Schloss , Das

Hauru No Ugoku Shiro
Japan 2004
Regie: Hayao Miyazaki
Buch: Hayao Miyazaki
Musik: Joe Hisaishi
117 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: Universum
Kinostart: 25.8.2005

Zum ersten Mal wagt der japanische Regisseur Hayao Miyazaki eine Reise in einen anderen Kulturkreis, den er mit seiner ihm eigenen Phantasie anreichert. Durch einem Fluch im Körper einer 90jährigen gefangen, muss die junge Sophie viele Abenteuer bestehen, bevor sie zusammen mit neuem Selbstvertrauen auch ihren Prinzen gefunden und die Welt gerettet hat. Der jüngste Film von einem der visionärsten Regisseure der letzten Jahre ist wie immer stilistisch atemberaubend, inhaltlich allerdings zerfahren wie nie.

Wo die Geschichte spielt bleibt eben so offen wie eine genaue zeitliche Bestimmung. Verschiedenste Stilelemente werden zu einer Welt verwoben, die zum Teil realistisch, zum Teil futuristisch anmutet, dann wieder wie die Klischeeversion Europas aus japanischer Sicht anmutet. Da findet man die grünsten Bergwiesen, die blausten Gewässer, malerische kleine Gassen und farbenfrohe Städte. Doch es herrscht Krieg zwischen den beiden Ländern, die andeutungsweise an Österreich und England erinnern. Und obwohl die Autos auf den Straßen an den Anfang des 20. Jahrhunderts erinnern, schwirren futuristische Kampfflugzeuge und merkwürdige Personentransporter durch die Lüfte. Ebenso fließend wie Vergangenheit und Zukunft verschwimmen, lässt Miyazaki fantastische Elemente in die auf den ersten Blick realistische Welt einfließen. Auf beiden Seiten Kämpfen Hexen und Zauberer, Dämonen in verschiedensten Formen bevölkern die Welt, Magie ist allerorten. Doch weder diese fantastische Welt, noch die dramatische Ebene des Krieges sind Zentrum des Films. Wie so oft stellt Miyazaki eine junge Frau in den Mittelpunkt, die sich in einer überwältigend anmutenden Welt durchsetzen muss. Ist sie zu Beginn noch schüchtern, führt der Weg zum Selbstvertrauen nicht nur zum persönlichen Glück, sondern auch zur Lösung der übergeordneten Probleme.

Zu Beginn des Films arbeitet Sophie im Hutgeschäft ihres verstorbenen Vaters. Sie ist fleißig und bescheiden und führt ein freudloses Leben. Eine schicksalhafte Begegnung lässt sie auf den ebenso attraktiven wie arroganten Zauberer Hauro treffen, der sie zwar vor zudringlichen Soldaten rettet, aber keine Notiz von ihr nimmt. Doch das Treffen weckt die Eifersucht der Hexe aus dem Niemandsland, die Sophie in eine 90jährige Frau verwandelt, voller Falten und mit krummem Rücken. Aus Scham verlässt Sophie die Stadt und findet Zuflucht im wandelnden Schloss Hauros, der dort mit seinem jungen Assistenten Markl und einem Feuerdämon namens Calcifer lebt.

Einer der schönsten Einfälle des Films, gleichzeitig auch zentrale Aussage, ist, wie sich innere Gefühlsregungen in äußeren Erscheinungen manifestieren. So ist Sophie zwar meistens alt, doch wenn sie mutig einer Hexe gegenübertritt, wechselt ihr Aussehen und sie wird jünger. Hauro wiederum zerfließt in einer Szene im wahrsten Sinne des Wortes vor Selbstmitleid, so dass Sophie ihn mühsam wieder „zusammenschieben“ muss. Doch zwischen solchen Szenen von poetischer Brillanz und hinreißenden Momenten in denen etwa der Feuerdämon Calcifer um sein Überleben kämpft und sich verzweifelt an einem immer kleiner werdenden Holzscheit festklammert, liegen lange Phasen, die weit weniger überzeugen. Vielleicht liegt es an der ausufernden Geschichte, dass viele Aspekte allzu vage bleiben, vielleicht auch an Miyazakis Versuch, sich in einer ihm fremden Kultur zurechtzufinden, statt sich den japanischen Mythen und Traditionen zu widmen. Wie nie zuvor bei einem Miyazaki-Film schleicht sich in Das wandelnde Schloss das Gefühl ein, einen ganz gewöhnlichen Animationsfilm zu sehen. Voll mit großartigen visuellen Ideen zwar, aber auch mit einer banal anmutenden finalen Moral, in der die Liebe ausreicht um einen Krieg zu beenden. So etwas war man bisher vor allem von konservativen Disney-Filmen gewohnt und nicht von den sonst so originellen, visionären Filmen des Hayao Miyazaki.

Michael Meyns