Whiskey Tango Foxtrott

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Mit tiefschwarzem Humor geht es hier um ein ernstes Thema: um Afghanistan und den US-amerikanischen Militäreinsatz. Das ist trotz gewisser Ähnlichkeiten zu großen Kriegssatiren der Filmgeschichte ziemlich erfrischend, denn im Mittelpunkt der Handlung steht eine waghalsige Frau: Kim Barker reist als unerfahrene, brave Reporterin von New York nach Kabul und wird dort schnell zum Adrenalin-Junkie, süchtig nach Gefahren und immer auf der Jagd nach einer guten Story. Die Vollblutkomödiantin Tina Fey, bekannt für fetzige Oneliner, spielt die Hauptrolle. Ihr und einem intelligenten Drehbuch ist es zu verdanken, dass der Film trotz eines angenehm hohen Klamaukfaktors die Balance zwischen Krawallkomödie und bitterer Satire hält.

Webseite: www.wtf-film.de

Regie: Glenn Ficarra, John Requa
Drehbuch: Robert Carlock, Kim Barker (nach ihrem Buch “The Taliban Shuffle: Strange Days in Afghanistan and Pakistan")
Darsteller: Tina Fey, Margot Robbie, Martin Freeman, Alfred Molina, Christopher Abbott, Billy Bob Thornton
112 Minuten
Verleih: Paramount Pictures Germany
Kinostart: 2. Juni 2016
 

FILMKRITIK:

Wer sich noch an die genial böse Kriegssatire MASH (Regie: Robert Altman) erinnert, der kann sich schon mal freuen, denn es gibt ein Wiedersehen mit dem Grundplot. Man ersetze Ärzte durch Journalisten, nehme zu den spleenig bis originellen Hauptcharakteren eine Handvoll stark durchgeknallter Nebenfiguren und mische das mit einer Geschichte um einen Haufen Zyniker, die sich als Repräsentanten einer kriegführenden Nation an einem gottverlassenen Ort zwischen den feindlichen Fronten vor allem freudvoll daneben benehmen, wenn sie nicht gerade – und das durchaus seriös – ihrem Beruf nachgehen.

Auf dieser Grundlage hätte sich leicht und seicht ein Drehbuch aus bewährten Versatzstücken schreiben lassen. Aber so einfach haben es sich die Autoren nicht gemacht, denn wie in MASH gibt es auch hier einen realen und daher sehr ernsthaften Hintergrund: ein Buch, nach dem der Film entstand. Er beruht auf den Erinnerungen von Kim Barker, die als junge Journalistin nach Afghanistan kam. Anfangs ist die Kim im Film eine verhältnismäßig brave Fernsehreporterin, frustriert vom täglichen Einerlei in New York und auf der Jagd nach dem Abenteuer, ansonsten aber eher zurückhaltend und fest entschlossen, trotz aller Versuchungen ihrem Lebensgefährten treu zu bleiben. Als erstes bekommt sie einen Beschützer, den liebenswerten Fahin (Christopher Abbott). Er ist Kims Dolmetscher und wichtigste Kontaktperson zu den Einheimischen. Kim schließt Freundschaft mit der einzigen anderen Frau vor Ort, der Australierin Tanya Vanderpoel, die sich schon mal damit einführt, dass sie anfragt, ob sie Kims Security Boys verfrühstücken darf – was im Film deutlich drastischer formuliert wird. Die kriegsgeschüttelte Stadt Kabul wird zum ebenso bizarren wie faszinierenden Schauplatz einer Handlung, die zwar, zusammengehalten von einer Rückblende, chronologisch abläuft, aber dennoch ihren Episodencharakter behält. Aus drei Monaten, die Kim in Afghanistan bleiben will, werden mehrere Jahre, und aus der wohlerzogenen Mittelstandslady wird ziemlich schnell ein waghalsiges, trinkfestes Vollweib mit einer waffenscheinpflichtigen Kodderschnauze. Auch sonst ist Kim bald kaum wiederzuerkennen: Mit dem schottischen Fotografen Iain MacKelpie (Martin Freeman) verbindet sie ein schwunghaftes Verhältnis, und wenn es um eine gute Story geht, riskiert Kim gern mal Kopf und Kragen. Sie pflegt Kontakte zu einheimischen Politikern, wie zu Ali Massoud Saliq (Alfred Molina), der zwar ein strenggläubiger Muslim ist, aber Kim überdeutliche Avancen macht, und zu einem US-General – all diese Verbindungen werden ihr am Ende sehr dienlich sein.
 
Tina Fey, eine der komischsten Frauen des US-Fernsehens, spielt Kim als ebenso burschikose wie schlagfertige Powerfrau mit schwarzhumorigem Wortwitz, der nicht nur hundsgemein ist, sondern auch außergewöhnlich intelligent. Dass es ihr dabei auch noch gelingt, Kim Barker eine facettenreiche Persönlichkeit zu schenken, zeigt umso mehr Tina Feys Qualitäten. Die Klugheit blitzt ihr förmlich aus den schönen Augen. Vielleicht nicht ganz grundlos heißt es von Tina Fey, sie sei das Sexsymbol aller Männer, die lesen können, ohne dabei die Lippen zu bewegen.
 
Eine sehr gute, lebhafte Kameraarbeit (Xavier Grobet) und ein schwungvoller Soundtrack unterstützen die hitzige und oft hektische Atmosphäre der Schauplätze, wo Komik und Tragik nahe beieinanderliegen. Die Absurdität des Krieges wird dabei immer deutlich, ebenso die Ernsthaftigkeit, mit der Kim Barker und Kollegen ihre Arbeit machen. Dass der Kriegseinsatz an sich nicht hinterfragt wird, ist nicht Aufgabe dieses Films. Hier geht es weniger um Politik als um Menschen, die versuchen, in einer verrückten Welt zu überleben. Wie in jeder guten Satire ist auch hier – wie in MASH – die deftige Komik zwischen hammerhartem Wortwitz und manchmal bitterem Zynismus eine Möglichkeit der Aufarbeitung. Bei allem Anspruch bleibt der Film jedoch vor allem immer eines: sehr unterhaltsam!
 
Gaby Sikorski