Wild – Jäger & Sammler

Zum Vergrößern klicken

Waidmannsheil! Der Film „Wild - Jäger und Sammler“ stellt eine der ältesten Kulturtechniken der Welt zur Debatte: das Jagen. Regisseur Mario Theus berücksichtigt in seiner dokumentarfilmischen Betrachtung kulturgeschichtliche Aspekte ebenso wie ganz praktische – in dem er Jäger und Wildhüter bei ihrer Arbeit begleitet. So entsteht ein authentisches, unverfälschtes Bild eines Jahrhunderte alten Brauchtums und traditionellen Handwerks. Ohne darauf zu verzichten, komplexe sowie ethische Fragen zu stellen und den menschlichen Umgang mit Natur reflektiert zu thematisieren.

Website: www.wild.film/de/

Dokumentarfilm
Schweiz 2021
Regie: Mario Theus
Drehbuch: Mario Theus
Länge: 90 Minuten
Verleih: Lakeside Film
Kinostart: 04.11.2021

FILMKRITIK:

Der Naturfilmer und Forstingenieur Mario Theus begleitet während einer Jagdsaison drei Personen, die vielfältige Ansichten zum Thema „Jagd“ haben: einen Jäger, eine Wildhüterin und einen Tierfilmer und -fotografen, der früher als Wilderer gearbeitet hat. Sie alle sind Meister ihres Fachs. Sie kennen die Tiere und deren Verhaltensweisen ebenso gut wie die Wälder, Berge und Täler, in denen sie leben. „Wild“ porträtiert unterschiedliche Lebensweisen und zeigt, wie man heute von und mit der Natur leben kann.

Man merkt Mario Theus an, wie sehr sein Film ein Herzensprojekt ist. Auf sehr intime Weise gibt er Einblicke in das Wesen und die Bedeutung der Jagd für Menschen, die von und mit ihr leben. Und verknüpft dies mit einer persönlichen Note. Dafür sorgt allein schon seine Off-Kommentierung, die vom Schweizer Schauspieler Gian Rupf in angenehmen Tonfall nachgesprochen wird. Theus erläutert seine individuelle Sicht auf dieses streitbare Thema, das so oft zu Auseinandersetzungen zwischen Tierschützern und Jägern führt. Oder zu hitzigen Diskussionen um das Wesen und die Moral des Menschen im Allgemeinen.

Nun könnte man Regisseur Theus und seinem Film vielleicht unterstellen, es fehle, nicht zuletzt aufgrund der eigenen Erfahrungen als Jäger, an Neutralität und Objektivität. Hinzu kommt die Tatsache, dass alle porträtierten Hauptpersonen einen ganz engen Bezug zur Jagd haben – und diese entweder selbst betreiben, oder, wie im Fall von Tierfotograf Urs Biffiger, dies früher einmal taten.

Doch „Wild“ ist alles andere als ein Hohelied auf das Jagen. Vielmehr nähert sich Theus seinem Sujet reflektiert, vielschichtig sowie unter Berücksichtigung unterschiedlichster Blickwinkel und Aspekte. Einer davon betrachtet die Jagd als ursprüngliche, traditionelle Art der Selbstversorgung, die zudem der Regulation der Bestände dient. Genau darüber äußert sich die Wildhüterin Pirmina Caminada, die die Schutzgebiete der Wildtiere überwacht und darauf achtet, dass geltendes Recht bei der Jagd eingehalten wird. Spannend ist zu sehen, wie sie ihrer Tochter dieses Wissen vermittelt und sie an das Jagen heranführt. Ebenso wie Andreas Käslin, Bergbauer und Jäger. Für ihn stellt das Leben an sich einen natürlichen Kreislauf aus Werden und Vergehen dar. Seinen Kindern erklärt er geduldig, aber ohne Beschönigungen seinen Beruf und warum er Tiere tötet.

Theus dokumentiert alle mit der Jagd verbundenen Tätigkeiten und „Arbeitsschritte“ sorgfältig. Er ist mit seiner Kamera stets ganz nah dran und vermittelt so ein realistisches und rein beobachtendes Bild von dem, was die Jagd als traditionsreiches „Kulturhandwerk“ und als Beruf, der dem Überleben dient, bedeutet. Und was alles dazugehört. Dazu zählen das Schusstraining, die Pirsch und das Spurenlesen ebenso wie das Verfolgen und Abschießen. Im Anschluss folgen das Aufbrechen (das Entnehmen der Eingeweide), Versorgen und die korrekte Nachbehandlung des erlegten Wilds.

Darüber hinaus thematisiert der Film den Unterschied zwischen Nutz- und Wildtier, die Vorzüge der Wildtierbeobachtung und verschiedene Jagdarten. Außerdem fragt Theus nach den Gründen, wieso der Mensch den natürlichen Umgang mit Wildtieren verloren hat. Und mit der Graubündner Jagd informiert „Wild“ schließlich noch über eine ganz besondere, sehr alte Form der Hochjagd.

Björn Schneider