wilde Schlag meines Herzens, Der

(De battre mon coeur s’est arrêté)
Frankreich 2005
Regie: Jacques Audiard
Darsteller: Romain Duris, Niels Arestrup, Linh-Dam Pham, Aure Atika, Emmanuelle Devos, Jonathan Zaccai, Gilles Cohen
107 Minuten
Verleih: Concorde (Start am 22.9.05), www.concorde-film.de Aus dem aufgeweckten Studenten Xavier aus „L’auberge espagnole“ ist in Jacques Audiards Charakterfilm „Der wilde Schlag meines Herzens“ ein angespannter und kaltschnäuziger, mit sich selbst unzufriedener junger Mann geworden. Sympathisch kann man den von Romain Duris gespielten Immobilienmakler Tom erst einmal nicht finden. Doch dann lernt man auch die sensible Seite dieses wilden Stiers kennen, der sich glaubhaft zu seinem Vorteil verändert. So ganz abgebrüht, wie er auf den ersten Blick wirkt, ist dieser Ende zwanzigjährige Tom in Wirklichkeit gar nicht. Man merkt’s daran, wie er sich mehr und mehr um seinen sichtlich den Lebemann raushängenden Vater (Niels Arestrup) sorgt, mehr jedenfalls als der sich um seinen adrett und korrekt in Anzug und Krawatte auftretenden Sohn. Als er für den Vater mal wieder ein paar Schulden bei dubiosen Geschäftspartnern eintreiben muss, greift Tom auch schon mal zum Baseballschläger, so wie er das ja immer wieder auch in seiner an der Grenze zur Legalität stehenden Profession als Immobilienfritze mit seinen beiden Mitstreitern tut, wenn mal wieder Mieter auf die Straße gesetzt werden sollen. Auch Ratten sind in dieser Hinsicht ein gerne eingesetztes Argument. Kein zimperlicher Bursche also. Doch das war nicht immer so. Ganz nebenbei erfährt der Zuschauer, dass Toms Mutter mal eine bekannte Pianistin gewesen sei, Tom selbst wohl auch Talent besaß und bereits ordentlich am Üben war. Doch mit dem schon länger zurückliegenden Tod der Mutter und vermutlich auch durch das brutal-autoritäre, inzwischen in Desinteresse umgeschlagene Verhalten des Vaters muss sich der damals Jugendliche wohl zu jenem rastlosen jungen Mann entwickelt haben der er heute ist, wohl wissend, dass ihn da wohl ein kleiner Teufel reitet. Als Tom zufällig den früheren Konzert-Promoter Monsieur Fox trifft erwägt er erstmals wieder die Möglichkeit, sich ans Klavier zu setzen. Und das tut er auch. Die chinesische Immigrantin und Pianoartistin Miao-Lin (Linh-Dan Pham) erteilt ihm Unterricht. Weil sie seine Sprache nicht spricht beschränkt sich beider Kommunikation auf Gesten und Gesichtausdrücke. Gerade diese Unmöglichkeit einer direkten Kommunikation aber ist es, die Toms unterschiedliche Charakterzüge besonders gut zum Vorschein bringt, letztendlich auch einer Annäherung der beiden Vorschub leistet. Anfangs steckt er noch zu sehr in seiner Haut des Schuldeneintreibers, der selbst dafür zurückschreckt, wie die Musik seine sanften Seiten weckt. Doch langsam taut Tom auf.  Geradlinig verläuft diese Wandlung, darauf sollte man gefasst sein, nicht. Überhaupt bleibt der 1977 schon einmal von James Toback mit Harvey Keitel unter dem Titel „Finger – Zärtlich und brutal“ verfilmte Stoff über den Aufeinanderprall von Kunst und Gewalt die gesamte Zeit über unvorhersehbar. Das ist zum einen gut für die Spannung und unterstreicht zum anderen das Augenmerk der schauspielerischen Leistungen, vor allem jener von Romain Duris. Dass „Der wilde Schlag meines Herzens“ in Berlin 2005 den Preis für die beste Filmmusik gewann liegt dabei nicht allein an Bachs Toccata in E-Moll, sondern auch an der dezent untermalenden, eben nicht zusätzlich noch die innere Zerrissenheit Toms unnötig dramatisierenden Stimmungsmusik von Alexandre Desplat. Dass Tom bei seinen nächtlichen Autofahrten oder auf dem Kopfhörer gerne monotone Beats à la Electro oder düsteren Rock hört, passt anfänglich gut zu seiner düsteren, emotionslosen Seelenlage. Die klassische Pianomusik aber öffnet auch hier seinen Gefühlen Tür und Tor. Und so findet am Ende ein wild schlagendes Herz doch noch zu einem harmonischen (Lebens)Rhythmus. Thomas Volkmann