Wilden Hühner, Die

Deutschland 2005
Regie: Vivian Naefe
Nach dem Roman „Fuchsalarm“ von Cornelia Funke
Darsteller: Michelle von Treuberg, Lucie Hollman, Paula Riemann, Zsa Zsa Inci Bürkle, Veronica Ferres, Doris Schade, Jessica Schwarz, Axel Prahl, Benno Fürmann
105 Minuten
Verleih: Constantin
Start: 9. Februar 2006
http://wilde-huehner.film.de

Endlich ein guter Kinderfilm! Basierend auf Cornelia Funkes „Fuchsalarm“ zeigt Regisseurin Vivian Naefe den turbulenten Alltag einer Gruppe Fünftklässlerinnen zwischen lieblosen Großmüttern, gewaltbereiten Vätern, allein stehenden Müttern, fürsorglichen Lehrern und – na klar – total uncoolen und dämlichen Jungs.

Cornelia Funke hier, Cornelia Funke da: Etwas unbeholfen wird die Hamburger Kinderbuchautorin seit ihren jüngsten Erfolgen als deutsche Joanne K. Rowling bezeichnet, damit tut man ihr allerdings kein Gefallen, denn ihre Romane sind weitaus vielseitiger. International für Aufsehen sorgte ihre venezianische Abenteuergeschichte „Herr der Diebe“, die in 23 Sprachen übersetzt wurde und am 5. Januar 2006 sogar in die Kinos kommt.

„Fuchsalarm“, die Romanvorlage für „Die wilden Hühner“, spielt dagegen in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen und erzählt die recht konventionelle Geschichte einer pubertierenden Mädchenbande. Sprotte (Michelle von Treuberg) ist die Anführerin der „Wilden Hühner“, ihre drei Begleiterinnen entsprechen dem üblichen Kinderfilm-Charakter-Rollenmuster: Trude (Zsa Zsa Inci Bürkle) ist dick aber lieb, Melanie (Paula Riemann) schön aber zickig und Frieda (Lucie Hollmann) nett und treu. Eine Hassliebe verbindet die Mädchen zu den „Pygmäen“, einer eigentlich total nervigen und uncoolen Jungenbande, die aber freundlicherweise – hey, welche Überraschung! – aus den gleichen Charakteren besteht wie die Mädchenclique. Dennoch bleibt die Frage, ob sich dich beiden Geschlechtergruppen zusammenraufen können, denn Unheil ist im Verzug: Sprottes Oma will ihre 15 Hühner schlachten, während das Bauamt mit ihren Baggern ausgerechnet das Waldstück platt machen will, in dem auch das tolle Baumhaus der „Pygmäen“ steht.

Für gewöhnlich sind deutsche Kinderfilme so Harmonie bedürftig und Konflikt beladen wie eine Folge „Sesamstraße“. Das unmittelbare Umfeld der Kinder meist unbefleckt, sogar die Eltern zahm und lieb. Darum macht auch „Die wilden Hühner“ keinen all zu großen Bogen, dennoch schreckt Regisseurin Vivian Naefe nicht davor zurück, Intelligenz und Anspruch ihres Kinderpublikums zu unterschätzen, indem sie handfeste Konflikte zeigt: Der launische „Pygmäe“ Willi (Vincent Redetzki) ist nur deshalb so angespannt, weil sein Vater (schön fies: Axel Prahl) ihn regelmäßig verkloppt und blau und grün haut. Und Sprottes Mutter Sibylle (Veronica Ferres) hat nicht etwa einen tollen Erfinder als Ehemann, sondern wird von Ferweh nach Amerika, ihrem Single-Dasein und den nächtlichen Taxi-Nachtschichten geplagt.

Kinderwelten werden hier nicht romantisch verklärt, sondern mit Liebe zum Detail und gutem Humor den Zuschauern näher gebracht. Wie in jedem Kinder- und Jugendfilm kann man nur gemeinsam die Probleme lösen, und das wird auch glaubhaft gezeigt. Auch schön: Benno Fürmanns kurze Gastrolle als Geschichtslehrer Herr Grünbaum mit Nickelbrille, der den Kindern ihre geheimen Zettelbotschaften im Unterricht abnimmt und vorliest. Ein Alptraum für alle Schüler, ein Fest für alle Erwachsenen. In Zukunft werden es bestimmt noch weitere Erzählungen von Cornelia Funke auf die Leinwand schaffen, und wer weiß in welchem Stil – vor ein paar Monaten ist sie samt Familie nach Los Angeles gezogen. Bestimmt nicht weit von Hollywood entfernt.

David Siems