Munch

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Wenige Kunstwerke sind so bekannt wie Edvard Munchs „Der Schrei“, ein dramatisches Gemälde, das andeutet, das der Mann der es malte, mit Dämonen zu kämpfen hatte. So zumindest will Henrik Martin Dahlsbakken in seinem biographischen Film „Munch“ den norwegischen Künstler darstellen, als genialischen Maler, dessen zerrissenes Wesen sich in einer ambitionierten filmischen Form spiegelt.

Norwegen 2023
Regie: Henrik Martin Dahlsbakken
Buch: Henrik Martin Dahlsbakken, Fredrik Høyer, Mattis Herman Nyquist, Gine Cornelia Pedersen, Eivind Sæther
Darsteller: Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist, Ola G. Furuseth, Anne Krigsvoll, Thea Lambrechts Vaulen, Lisa Carlehed, Jesper Christensen

Länge: 104 Minuten
Verleih: Splendid/ 24 Bilder
Kinostart: 14. Dezember 2023

FILMKRITIK:

Mehr als 30.000 Werke hat Edvard Munch geschaffen informiert am Ende von „Munch“ eine Einblendung, fast die einzige ganz konkrete Information in einem betont unkonventionellen, avantgardistischen biographischen Film. Es wäre ein leichtes gewesen über Leben und Werk des norwegischen Malers Edvard Munch, der von 1863 bis 1944 lebte und arbeitete, einen konventionellen Film zu drehen, der die tragische Jugend des späteren Künstlers zeigt – seine Mutter starb, als Munch fünf Jahre jung war, etwas später auch eine Schwester – die ihn zu einem tief melancholischen Mann machte, der die Tiefen und Abgründe seiner zerrissenen Seele in einem ganz eigenen Werk umsetzte.

Doch der norwegische Regisseur und Autor Henrik Martin Dahlsbakken geht einen anderen, einen ambitionierteren Weg. Vier Episoden umfasst sein Film, die Dahlsbakken zusammen mit vier Co-Autoren geschrieben hat und die vier Lebensabschnitte Munchs zeigen, gespielt von vier verschiedenen Schauspielern: Jung und noch unbeschwert wirkt Munch mit 21 (Alfred Ekker Strande), da er noch am Anfang seiner Karriere steht und sich unglücklich in die verheiratete Milly (Thea Lambrechts Vaulen) verliebt. Mit 30 verbringt Munch (Mattis Herman Nyquist) Zeit in Berlin, trifft August Strindberg (Lisa Carlehed), trinkt bis zum Exzess und wird am Ende eine erste Version des Schreis auf den Boden seines Ateliers skizzieren. Mit 45 ist Munch (Ola G. Furuseth) in einer Nervenklinik, wo ihm der Arzt Daniel Jacobsen (Jesper Christensen) eine wertvolle Hilfe ist, seine Angst vor einer vererbten Schizophrenie zu nehmen. Und schließlich das Oslo des Jahres 1943. während die Deutschen Norwegen besetzt halten und der 80jährige Munch (Anne Krigsvoll) dahinsiecht und zusammen mit tausenden Werken ein Haus bewohnt.

Wie ein Sommertraum mutet die zeitlich früheste Episode an, gefilmt in leuchtenden Farben im Scope-Format. Später, in der Klinik, wechselt das Bild zu schwarz-weiß im 4:3-Format, das wie eine zu Munchs Seelenzuständen passende düstere Enge wirkt. In der finalen Episode spielt eine Frau Munch, aber am weitesten geht die Verfremdung in der Berlin-Episode, die mehr oder weniger in der Gegenwart spielt, Munch im modernen Kreuzberg, mit Handy und auf einer Techno-Party in einer verfallenen Fabriketage zeigt. Überdeutlich wird hier der Anspruch von Dahlsbakken, sich gegen die Konventionen zu stellen, gegen ein bourgeoises, sicheres Kino, das – so sagen es die Charaktere explizit – von Beamten in Förderinstitutionen finanziert wird, die keine Ahnung von Kunst haben.

Wer sich so sehr aus dem Fenster lehnt macht sich natürlich besonders angreifbar, der setzt die Messlatte an das eigene Werk besonders hoch. Ganz kann „Munch“ diesen Anspruch nicht erfüllen, dazu ist sein Bild von Munch als genialischer Künstler mit zarter, verletzlicher Seele, der sein innerstes Wesen in seiner Kunst verarbeitet, allzu klassisch um nicht zu sagen klischeehaft. Und doch ist es gerade die erzählerische und filmische Ambition, die dieses Munch-Porträt aus dem Gros der konventionellen biographischen Filme, die penibel und meist langweilig entlang von Lebensdaten erzählen, heraushebt.

 

Michael Meyns