40 Tage in der Wüste

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Kurz nach Ostern, also dem Ende der 40tägigen Fastenzeit, kommt „40 Tage in der Wüste“ ins Kino, quasi das Vorbild für ein inzwischen fast vergessenes Ritual. Sehr frei geht Autor und Regisseur Rodrigo García mit der biblischen Geschichte um, doch gerade diese Freiheit macht seinen Film auch für Menschen sehenswert, die in den Worten Jesu eher eine Philosophie als eine Religion sehen.

Webseite: www.tiberiusfilm.de

Last Days in the Desert
USA 2015
Regie & Buch: Rodrigo García
Darsteller: Ewan McGregor, Tye Sheridan, Ciarán Hinds, Ayelut Zurer
Länge: 98 Minuten
Verleih: Tiberius
Kinostart: 13. April 2017

FILMKRITIK:

Seine Zeit in der Wüste neigt sich dem Ende zu, da begegnet Jeshua (Ewan McGregor), einer Familie, bestehend aus dem Vater (Ciarán Hinds), der fast autokratisch über die Seinen bestimmt, der Mutter (Ayelet Zurer), die schwer krank ist und vor allem vom Sohn (Tye Sheridan) gepflegt wird, der jedoch viel lieber ein freies Leben führen und nach Jerusalem ziehen würde.
 
Doch sein Vater hat andere Pläne, er baut aus schweren Schindeln ein Haus, mitten in der Wüste, fernab der Zivilisation, um sich und seiner Familie nach Jahren des nomadischen Herumziehens ein festes Heim zu geben. Jeshua, der eigentlich nur nach einem Schluck Wasser bat, ist gleichermaßen beängstigt wie angezogen von der komplizierten Vater-Sohn-Geschichte, in der er sich selbst erkennt. Angestachelt vom Teufel (ebenfalls gespielt von McGregor), bleibt er bei der Familie, beobachtet das Verhältnis von Vater und Sohn und fragt sich, ob und wenn ja wie sehr er sich zwischen Vater und Sohn schieben soll.
 
Auch wenn die Landschaft, die einer der Hauptdarsteller von Rodrigo Garcías „40 Tage in der Wüste“, der Landschaft des heiligen Landes ähnelt, wurde doch in Südkalifornien gedreht, kaum vier Stunden von Los Angeles entfernt. Eigentlich irrelevant, aber doch durchaus passend für einen Film über Jesus, der viel weniger religiös ist, als die meisten anderen der vielen Filme, die im Lauf der Filmgeschichte über den Gottessohn gedreht wurden. Zwar hält sich auch García grob an die biblische Geschichte, lässt auch seinen Jesus von Versuchungen geplagt werden und am Ende am Kreuz sterben, doch ein dogmatisch-religiöser Film ist dies nicht.
 
Vielmehr mutet das Suchen der Jesus-Figur nach Antworten wie eine spirituelle Sinnsuche an, so wie sie an vielen Orten der Welt von den unterschiedlichsten Menschen durchgeführt wurde, eben auch in den Wüsten Kaliforniens von Hippies und anderen nach Erleuchtung Suchenden. Deren Mittel zur Bewusstseinserweiterung waren zwar andere als die durch Fasten herbeigerufenen Halluzinationen Jesus, doch der Effekt ist durchaus vergleichbar. Besonders da Garcías Film eine oft somnambule Stimmung hat, lange Einstellungen der weiten Landschaften ebenso wie das bedächtige Spiel der Darsteller zum sinnieren, zum sich verlieren in Gedanken einladen.
 
Deutlich, aber doch nicht aufdringlich erzählt García dabei von schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen, von Abnabelungsprozessen, Wünschen und Träumen und verletzten Gefühlen. Gerade durch die Ähnlichkeit der Vater-Sohn-Verhältnisse in seinem Film, deutet García die menschliche Seite Jesu an, der wie so viele nach einem Sinn suchte, nach dem richtigen Leben, auch nach dem richtigen Umgang mit seinem Vater.
 
Das er mit diesem Ansatz die biblische Geschichte von ihrem religiösen Dogma befreit, macht „40 Tage in der Wüste“ zu so einem ungewöhnlich, viel mehr spirituellen als religiösen Film.
 
Michael Meyns