Alles gut

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Die wackere, kleine Dokumentation handelt vom Leben geflüchteter Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und ankommen wollen: zwei Familien, eine aus Mazedonien, eine aus Syrien. Das ist manchmal sehr anrührend, und das Verständnis im Umfeld von Schule, Ämtern und Flüchtlingsinstitutionen für die Sorgen und Nöte der Familien ist imponierend. Trotz der guten Absicht und trotz seiner gesellschaftlichen Relevanz bietet der Film nur wenig Cineastenfutter – weder die Bilder noch die Machart sind besonders originell, und wie schwer es ist, in Deutschland Fuß zu fassen, ist allseits bekannt. So wird die Doku vermutlich einen eher kleineren Kreis politisch und sozial engagierter Kinogänger ansprechen.

Webseite: www.alles-gut-film.de

Deutschland 2016
Drehbuch, Regie, Kamera, Ton: Pia Lenz
95 Minuten
Verleih: Rise And Shine Cinema
Kinostart: 23. März 2017

FILMKRITIK:

Adel ist aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, er lebt in einem Hamburger Flüchtlingsheim und erwartet sehnlichst die Ankunft seiner Frau mit den vier Kindern. Ein Jahr war er von ihnen getrennt. Als sie endlich ankommen, ist die Freude groß. Ghofran ist die Jüngste mit ihren 11 Jahren, ein lebhaftes, stolzes Mädchen mit sehr guten Zeugnissen und ziemlich vielen Vorurteilen gegenüber Deutschland. Der kleine Roma-Junge Djaner ist erst 8 – mit Mutter und Bruder kam er aus Mazedonien, wo die Roma unterdrückt und verfolgt werden.
 
Pia Lenz begleitet beide Familien über ein Jahr und zeigt ihren Alltag mit all seinen Schwierigkeiten: die Sprachprobleme, den Ämterwirrwarr und die Bemühungen von allen Seiten, den Geflüchteten zu helfen, ihnen nicht nur Sicherheit, sondern auch ein bisschen Ruhe zu geben. Aber das ist gar nicht so leicht in einem Land, wo es zwar alles gibt, aber nicht jeder alles haben kann. So wird Adel ein Jahr lang vergeblich eine Wohnung für seine Familie suchen, und Djaners Mutter muss gegen die drohende Abschiebung kämpfen. Zwischendurch blitzt immer wieder Hoffnung auf: Da ist wieder mal eine Wohnung für die Großfamilie in Aussicht, oder Ghofran lernt Fahrradfahren – was in Syrien für Mädchen nicht erlaubt ist. Auch Djaner scheint seine Schwierigkeiten in der Schule überwunden zu haben und macht beim Laternenumzug mit, wo er aus vollem Halse singt. Überall stoßen die Kinder auf viel Verständnis, sowohl bei ihren Lehrkräften als auch bei den gleichaltrigen Klassenkameraden. Und während die Kinder sich langsam zurechtfinden, plagen sich die Eltern, mühsam radebrechend, mit der Bürokratie herum.
 
Im Vordergrund der Handlung stehen die Kinder und ihre Eingewöhnungsprobleme. Dabei ist es interessant, wie schnell sich Ghofran an die neuen Umstände gewöhnt, wie sie an Selbstvertrauen gewinnt und sich innerhalb kurzer Zeit in ihr Leben in Deutschland hineinfindet. Djaner hingegen hat es schwerer. Er ist traumatisiert, verhaltensauffällig und vielleicht etwas lernbehindert. Seine Mutter kann ihm wenig helfen – sie hat noch mehr Probleme als er. Die Filmemacherin begleitet die Kinder in die Schulen, sie zeigt die Lehrer, die mit viel Kraft und Energie die schwierige Aufgabe stemmen müssen, innerhalb eines Jahres Kinder aus vielen Ländern der Welt ins deutsche Schulsystem zu integrieren. Das machen sie mit bewundernswerter Geduld und hohem Engagement. Also könnte doch eigentlich alles gut sein … ist es aber nicht.
 
Pia Lenz klagt nicht an, sie benennt keine Schuldigen, und obwohl ihre Sympathien eindeutig auf Seiten der geflüchteten Menschen liegen, beschönigt sie nichts. Sie verzichtet auf jeden Kommentar und lässt stattdessen ihre Protagonisten selbst sprechen. Vielleicht erscheinen hier und da die Lehrer und Eltern der Mitschüler ein wenig zu verständnisvoll und manche Sozialarbeiterin und der eine oder andere Behördenmitarbeiter scheint sich angesichts der Kamera beinahe vor Eifer zu überschlagen, aber andererseits kann es angesichts der augenblicklichen Situation gar nicht genug Verständnis geben und es ist eine Freude zu sehen, wie viel tatkräftige Unterstützung den Neuankömmlingen geboten wird. Doch Integration braucht Zeit … viel Zeit, und zwar von allen Seiten.
 
Gaby Sikorski