Als ich mal groß war

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Lilly Engel und Philipp Fleischmann haben sich für ihr über fünf Jahre lang entstandenes Projekt „Als ich mal groß war“ einen ganz besonderen Kniff ausgedacht: Über diese Zeitraum folgten sie zwei Jungen und einem Mädchen durch die Zeit der Frühpubertät und fragten sie nach ihren Träumen und Wünschen für die Zukunft, die sie wiederum von professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern nachstellen ließen. Das Ergebnis ist eine gleichermaßen amüsante wie nachdenklich stimmende Veranschaulichung dessen, wie schon die Jüngsten sich ihr Leben in vielen Jahren vorstellen.

Webseite: als-ich-mal-gross-war.de

DE 2019
Regie: Von Lilly Engel, Philipp Fleischmann
Darsteller: Constantin von Jascheroff, Isabell Polak, Sebastian Schwarz
Verleih: Pandora Filmverleih
Länge: 82 Min.
Start: 28. November 2019

FILMKRITIK:

Lucas, Marius und Renée – drei beste Freunde, kurz vor der Pubertät. Das Regie-Duo Lilly Engel und Philipp Fleischmann nutzt diesen spannenden Lebensabschnitt 2014, um ein halbdokumentarisches Spielfilmprojekt zu beginnen. Von 2014 bis 2019 begleitet die Kamera die zwei Jungen und das Mädchen regelmäßig in ihrem Alltag und lauscht dabei gespannt den Zukunftsvisionen des Trios – und eben auch, wie sich diese über die Jahre verändern. Nachgestellt werden die Vorstellungen der drei von den Schauspielern Constantin von Jascheroff, Sebastian Schwarz und Isabell Polak. Sie schlüpfen in Feuerwehrkluften, Angelmontur und Designerklamotten und agieren genau so, wie es sich ihre „jüngeren Ichs“ während ihrer unterschiedlichen Lebensabschnitte eben vorstellen. Ein spannendes Filmexperiment, das zeigt, wie genau sich schon die Jüngsten ihr Leben in vielen Jahren ausmalen…
 
Lucas und Marius sind Kumpel seit früher Schulzeit. In ihrer Freizeit gehen sie gern zusammen angeln oder engagieren sich bei der Berliner Jugendfeuerwehr. Mit zehn Jahren stellen sie sich vor, später einmal hauptberuflich als Feuerwehrmann zu arbeiten. Immer noch gemeinsam, immer noch als beste Freunde. Fünf Jahre später. Marius erzählt davon, dass er und Lucas sich auseinandergelebt haben. Doch beide wollen das ändern. Hoffen darauf, als Erwachsener irgendwie wieder zueinander zu finden. Zwischen diesen beiden Szenen vergeht in dem halbdokumentarischen Spielfilmprojekt von Lilly Engel und Phillip Fleischmann gerade mal etwas über eine Stunde. Und trotzdem hat man die hier im Mittelpunkt stehenden Jungen bereits derart liebgewonnen, dass es einem den Boden unter den Füßen wegzieht, wenn man erfährt, dass die zwei sich während der fünfjährigen Dreharbeiten offenbar ziemlich verkracht haben. Doch die beiden Regisseure haben sich für ihren Film „Als ich mal groß war“ nicht umsonst die Zeit vor und während der Pubertät ausgesucht. Als Kinder begonnen, beenden die drei Protagonisten das Projekt als junge Erwachsene, die ihr Leben besser zu reflektieren vermögen, als so mancher Erwachsener. Und in dieser Zeit geschieht nun mal eine ganze Menge im Inneren der Jugendlichen.
 
Als Elfjährige sprechen sie noch mit einer bemerkenswerten Offenheit über ihre Beziehung zueinander. Stellen sich mit größtmöglicher Naivität vor, wie sie später einmal mit einer möglichst schönen Frau viele Kinder bekommen werden (denn dazu sind Frauen eben da – eine Aussage, die sie später noch revidieren werden). Aus den Mündern der Jungen klingt das alles so selbstverständlich. Und im Zusammenspiel mit denen von Constantin von Jascheroff, Sebastian Schwarz und Isabell Polak nachgestellten Szenen gewinnen diese Fantasien plötzlich an Greifbarkeit. Zu keinem Zeitpunkt stellt man infrage, dass das Leben der drei exakt so ablaufen wird, wie sie es sich nun vorstellen – ja, die drei können einem sogar das heute Unmögliche schmackhaft machen: Die Eröffnung des Berliner Flughafens BER.
 
Dominieren in der ersten Hälfte von „Als ich mal groß war“ noch die unverblümten Zukunftsvisionen der Jungs, die hier und da für ordentliche Lacher sorgen, wird es in der zweiten Hälfte zunehmend melancholischer. Wenngleich die Pläne von Lucas, Marius und Renée bis zuletzt an Selbstbewusstsein und Wahnsinn beibehalten (unterstrichen von der mitunter irrwitzigen Inszenierung der Spielfilmsequenzen), werden die Vorstellungen der drei zunehmend realistischer und lassen eine gewisse Reifung durchscheinen, wodurch der Film über die Jahre der Dreharbeiten glaubhaft und authentisch seine Unschuld verliert.

Die Kombination aus Dokumentar- und Spielfilm entpuppt sich dank der grundehrlichen Protagonisten und einem clever erzählten Erzählzeitraum als gleichermaßen amüsant wie melancholisch und ist durch seine 82 Minuten Laufzeit auch noch extrem kurzweilig.
 
Antje Wessels