Fado

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Eine Amour Fou, geprägt von Eifersucht und Misstrauen beschreibt Jonas Rothlaender in seinem Debütfilm „Fado“. Geschickt nutzt er den Schauplatz Lissabon, um den Verfall der Beziehung von zwei Deutschen in der Fremde, die zu einer immer extremeren Stalking-Geschichte wird, auch visuell ansprechend umzusetzen.

Webseite: www.missingfilms.de

Deutschland 2016
Regie: Jonas Rothlaender
Buch: Sebastian Bleyl, Jonas Rothlaender
Darsteller: Golo Euler, Luise Heyer, Albano Jeronimo, Pirjo Lonka, Duarte Grilo, Isabel Abreu
Länge: 101 Minuten
Verleih: missing FILMs
Kinostart: 1. September 2016
 

FILMKRITIK:

Ans Ende Europas, nach Lissabon, hat es Doro (Luise Heyer) verschlagen, ihres Jobs als Architektin wegen, aber auch als Flucht vor ihrem Freund Fabian (Golo Euler). Der hat mit seiner notorischen Eifersucht die Beziehung zerstört und arbeitet in Deutschland als Arzt in der Notaufnahme. Als er eines Nachts eine verunglückte Frau nicht retten kann, betrachtet er lange die Leiche, die ihn an Doro erinnert und dazu bringt, nach Lissabon zu fahren.

Ein ominöser Beginn, der viel des Folgenden vorwegnimmt. Zwar gelingt es Fabian Doro zwischenzeitlich zurückzugewinnen, sein Leben und vor allem seine Eifersucht in den Griff zu bekommen, doch der Schein trügt. Gerade Doros Arbeitskollege Francisco (Albano Jeronimo) ist ihm ein Dorn im Auge, im gut aussehenden, witzigen Portugiesen sieht er einen Rivalen, beobachtet jede Unterhaltung zwischen den beiden mit Argusaugen und steigert sich zunehmend in extreme Phantasien. Als Doro schließlich genug hat und Fabian vor die Tür setzt, eskaliert die Situation, wird aus zum Teil verständlicher Eifersucht extremes Stalking.

Ambitionierten Kinomachern bietet sich in diesem Spätsommer die Gelegenheit zu einem interessanten Doppel-Programm zum Thema Stalking: Ende Juli startet Andrina Mračnikars „Ma Folie“, ein paar Wochen später eben Jonas Rothlaenders „Fado“, zwei Filme die eine fast identische Geschichte erzählen, aber aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Während Mračnikar aus weiblicher Sicht erzählt und die Frau, das Opfer eines Eifersuchts/ Stalker-Dramas in den Mittelpunkt stellt, wählt Rothlaender den männlichen Blick und bleibt stets der männlichen, in diesem Fall also der Täter-Perspektive verhaftet.

Stets bleibt der Zuschauer bei Fabian, erlebt das Geschehen mit seinen Augen, nimmt unwillkürlich seine Perspektive ein. Momente der Ambivalenz entstehen da, wenn Fabian einmal mehr eifersüchtig agiert, auch wenn ihm Doro keinen Grund gegeben zu haben scheint. Schwierig wird dieses Spiel mit der Perspektive erst dann, als Rothlaender zunehmend Momente einbaut, die Doro in verfänglichen Situationen zeigen, die Fabians Eifersucht zu bestätigen scheinen. Dass viele, wenn nicht alle diese Momente Auswüchse von Fabians Fantasie sind, wird oft nicht ganz deutlich, was insofern etwas zu ungenau erzählt erscheint, als dadurch zumindest in Momenten Fabians Reaktion gerechtfertigt zu werden scheint.

Doch spätestens wenn Doro sich endgültig von ihrem zunehmend unkontrolliertem Freund getrennt hat, Fabian allein und isoliert durch Lissabon taumelt, lässt Rothlaender keinen Zweifel an den Abgründen, auf die sich Fabian unweigerlich zubewegt. So wie Europa an der Küste Portugals aufhört, der Blick auf die oft stürmischen Wellen, die immer wieder leitmotivisch Fabians Gefühlsleben anzudeuten scheinen, so endet auch „Fado“ auf stürmische, filmisch kraftvolle Weise.

Michael Meyns