Gut gegen Nordwind

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Sich nur schreiben und nie sehen? Das ist das Verhältnis von Leo und Emma, die sich per Zufall kennenlernen und beginnen, einen E-Mail-Kontakt zu führen, der zunehmend intensiv und persönlich wird. Basierend auf dem Bestseller von Daniel Glattauer inszeniert Vanessa Joop einen im Kern unfilmischen Film, der dank seiner zwei Hauptdarsteller manche Drehbuchschwäche übertünchen kann.

Webseite: www.GutGegenNordwind.de

Deutschland 2019
Regie: Vanessa Joop
Buch: Jane Ainscough, nach dem Roman von Daniel Glattauer
Darsteller: Andreas Fehling, Nora Tschirner, Ulrich Thomsen, Lisa Tomaschewsky, Ella Rumpf, Claudia Eisinger
Länge: 122 Minuten
Verleih: SONY
Kinostart: 12. September 2019

FILMKRITIK:

Wer kennt das nicht: Ein Buchstabe oder Satzzeichen vertauscht und schon landet die E-Mail ganz woanders. So ergeht es Emma (Nora Tschirner), die eigentlich nur ein Zeitschriften-Abonnement abbestellen wollte, stattdessen aber im Postfach von Leo (Andreas Fehling) landet, einem Linguisten, der dadurch schon beruflich ein Faible für Sprache hat.
 
Und da Leo gerade zum wiederholten Mal von seiner On-Off-Freundin Marlene (Claudia Eisinger) verlassen wurde, lässt er sich auf einen Nachrichtenaustausch mit der Unbekannten ein. Eines vereinbaren die Beiden gleich zu Beginn: Gegenseitiges googeln ist ausgeschlossen, genaueres über das Gegenüber herauszufinden ist verboten. Nur das geschriebene Wort zählt und dennoch oder gerade deswegen kommen sich Leo und Emma im Lauf der Monate immer näher und tauschen gerade auf Grund der Anonymität immer persönlichere Nachrichten aus.
 
Doch eines Tages berichtet Emma, dass sie verheiratet ist, und zwar glücklich. Mit dem 15 Jahre älteren Dirigenten Bernhard (Ulrich Thomsen) und dessen zwei Kindern lebt sie ein unbeschwertes Leben. Doch durch die zunehmende Nähe zu Leo denkt Emma immer häufiger darüber nach, ob ihr nicht doch etwas fehlt. Und auch Leo möchte bald nicht mehr nur mit Emma schreiben, sondern sie auch in der Realität kennen lernen.
 
In Ernst Lubitschs „Rendevouz nach Ladenschluss“ schrieben sich James Stewart und Margaret Sullavan Briefe, in Nora Ephrons „E-Mail für Dich“ waren es Tom Hanks und Meg Ryan, die per damals noch neuer Technik kommunizierten. Junge Menschen würden heutzutage wohl kaum ewig lang WhatsApp oder Snapchat-Nachrichten austauschen, bevor sie sich treffen, doch die beiden Hauptfiguren in Vanessa Joops Romanze „Gut gegen Nordwind“ sind im Herzen romantisch und auch ein wenig altmodisch.
 
Obwohl sie in derselben Stadt nur ein paar Kilometer entfernt voneinander wohnen, schreiben sie monatelang nur E-Mails, ein Konstrukt, das man schlucken muss, dass auch dazu führt, dass Joops Film zu weiten Teilen aus dem wenig filmischen Konstrukt besteht, E-Mails vorzulesen. Vor allem den beiden Hauptdarstellern Alexander Fehling und Nora Tschirner - die auch in der Realität einmal ein Paar waren - ist es zu verdanken, dass dieses Konzept oft funktioniert.
 
In den besten Phasen ihres Films gelingt es Joop anzudeuten, wie etwa Emma langsam an ihrem an sich mehr als zufriedenstellenden Leben zweifelt, durch die Bekanntschaft mit Leo darüber nachdenkt, ob da nicht noch etwas anderes sein könnte, etwas Aufregenderes. Dass dieses Aufregendere vor allem in der Illusion des Schreibens besteht, das sich sowohl Leo als auch Emma, weniger in eine reale Person verlieben, als in eine Illusion, wird lange miterzählt - und am Ende komplett über Bord geworfen.
 
Immer wieder nimmt das Drehbuch von Jane Ainscough (die zuletzt die Vorlage für den Erfolgsfilm „Ich bin dann mal weg“ schrieb) Wendungen, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, behauptet Verhalten, das wenig glaubwürdig erscheint. Im Zweifelsfall werden typische Muster der romantischen Komödie variiert, auch wenn dabei der Geist der Romanvorlage verloren geht. Das mehr als gewagte Unterfangen, einen Roman zu verfilmen, in dem die beiden Protagonisten nur fernmündlich kommunizieren, geht am Ende von „Gut gegen Nordwind“ nur bedingt auf.
 
Michael Meyns