Kater

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Vom verlorenen und anschließend langsam wieder gewonnen Paradies erzählt der österreichische Regisseur Klaus Händl in seinem zweiten Spielfilm „Kater“. Jede Bildeinstellung, jeder Moment des überlangen, von Symbolik durchzogenem Beziehungsdrama deutet höchsten Gestaltungswillen an, der durch seine Manieriertheit aber eher beeindruckt als berührt.

Webseite: facebook.com/kater.film

Österreich 2016
Regie & Buch: Klaus Händl
Darsteller: Lukas Turtur, Philipp Hochmair, Thomas Stipsits, Manuel Rubey, Gerals Votava, Gabriela Hegedüs
Länge: 114 Minuten
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 24. November 2016

FILMKRITIK:

Stefan und Andreas leben im Paradies. In einem Randbezirk von Wien bewohnt das Paar ein großes Haus mit noch größerem Garten, scheinbar fern der Zivilisation. Wenn Stefan (Lukas Turtur) als Musiker, Andreas (Philipp Hochmair) als Disponent, nicht gerade ihrer Arbeit am Orchester nachgehen, genießen sie ihr gemeinsames Leben, kochen, trinken, lieben sich. Zu Hause laufen sie praktisch stets nackt herum, fühlen sich frei und unbeschwert in ihrer Existenz zu Zweit bzw. zu dritt, denn einen Bewohner hat das Paradies noch: Moses, der Kater, eine Art Ersatzkind des Paars.
 
Doch eines Morgens dreht Stefan dem Kater den Hals um, ein ansatzloser, unerklärlicher Moment der Gewalt, der die bukolische Beziehung in einem Moment zerstört. Eine tiefe Distanz herrscht nun zwischen den Liebenden, mit neurologischen Untersuchungen wird versucht, eine Antwort für Stefans merkwürdiges Verhalten zu finden, doch so leicht macht es Regisseur Klaus Händl sich und seinen Protagonisten nicht.
 
Schon während die Titel auf der Leinwand zu lesen sind, verrät Händls zweiter Spielfilm „Kater“ seinen großen, oft übergroßen Willen zur Symbolik: Bildfüllende Gemälde sind da zu sehen, die im Gebäude des Wiener Rundfunks hängen und paradiesische Szenen zeigen. Im Schatten dieser Gemälde arbeiten Stefan und Andreas, in Harmonie mit ihren Orchesterkollegen, die sie gern zu ausufernden Feiern zu sich einladen, die auch schon mal mit einem Dreier mit einem etwas verklemmten Kollegen enden. Und damit wirklich deutlich wird, in welchem Paradies das Paar lebt, beißt Stefan bald in einen Apfel und findet eine Schlange.
 
Dass diese versteinert ist, deutet den Verlust der Glückseligkeit an, der bald aus heiterem Himmel eintritt. Nichts hatte zuvor darauf hingedeutet, dass Stefan zu solch einer Tat fähig wäre, nichts erklärt sein Verhalten. Man muss diesen Moment der Gewalt, der die Geschichte quasi ins Rollen bringt, akzeptieren, so konstruiert er auch wirkt. Zumindest auf der dramatischen Ebene geht es Händl nicht um Realismus, entwickelt er eine zwischenmenschliche Versuchsanordnung, die oft eher thesenhaft wirkt, als emotional zu überzeugen.
 
Ganz im Gegensatz zu den beiden Hauptdarstellern Lukas Turtur und Philipp Hochmair, die sich mit ganzem Einsatz, nicht zuletzt körperlichem, in ihre Rollen stürzen. Eine ganze Weile wirkt „Kater“ da wie die Dokumentation einer perfekten Beziehung, voller Zweisamkeit, Erotik und Sinnlichkeit. Nicht zuletzt der unverschämt photogene Kater Toni als Moses vervollständigt das Szenario, doch mit seinem Tod verliert der Film einiges. Denn den vielen Fragen, die sich durch Stefans Tat stellen, weicht Händl dezidiert aus. Die emotionale Kraft, die er dadurch freiwillig aufgibt, lässt sich im weiteren Verlauf durch die ausgezeichneten Darsteller nur bedingt auffangen, so dass „Kater“ am Ende eine interessante, aber doch etwas zu manierierte Versuchsanordnung bleibt.
 
Michael Meyns