Lemonade

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Das eindringliche Spielfilmdebüt „Lemonade“ macht auf unmissverständliche Weise klar, dass die Teilhabe am amerikanischen Traum mitunter teuer zu bezahlen ist. Das Immigrations-Drama folgt einer jungen Rumänin mit unsicherem Aufenthaltsstatus in den USA, die in die Mühlen der Einwanderungsbehörde gerät – und an einen sadistischen Sachbearbeiter. „Lemoande“ verfügt über ein herausragendes Ensemble, vermittelt seine Botschaften mit Nachdruck und lässt sich auch auf die europäische Flüchtlingskrise übertragen.

Webseite: www.dejavu-film.de

Rumänien, Kanada, Deutschland, Schweden 2018
Regie & Drehbuch: Ioana Uricaru
Darsteller: Mälina Manovici, Steve Bacic, Dylan Smith, Milan Hurduc
Länge: 88 Minuten
Kinostart: 04. Oktober 2018
Verleih: déjà-vu Filmverleih

FILMKRITIK:

Vor einiger Zeit konnte die rumänische Krankenschwester Mara (Malina Manovic) dank einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ihre Heimat in Richtung USA verlassen. Dort lernte sie bei der Arbeit den Patienten Daniel (Dylan Smith) kennen und lieben, einen US-Amerikaner, den Mara kurz darauf heiratete. Seitdem wartet sie auf eine Green Card, die zum unbefristeten Aufenthalt in den USA berichtigt. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Außerdem nutzt der Beamte der Einwanderungsbehörde Maras schwierige Situation schamlos aus und erpresst sie. Doch Mara hält am amerikanischen Traum fest.

Nach einer Dokumentation und mehreren Kurzfilmen, legt Regisseurin Ioana Uricaru mit „Lemonade“ ihr Spielfilmdebüt vor. Bevor sie sich dem Filmemachen widmete, absolvierte sie ein Biologie-Studium und promovierte im Fach „Filmwissenschaft“. Der an Originalschauplätzen in den USA gedrehte Film feierte auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Panorama seine Weltpremiere. Für Schauspielerin Malina Manovic ist es nach der Mitwirkung im Krimi-Drama „Bacalaureat“ (2016) die erste Hauptrolle ihrer Karriere.

Für den Zuschauer ist es mitunter schwer zu ertragen, wie sehr Mara der Willkür ihres Umfelds ausgesetzt ist und unter dem Machtmissbrauch der Behörden zu leiden hat. Man möchte ihr bei all den Erniedrigungen (häusliche Gewalt, Erpressung, Erniedrigung durch die Polizei) beistehen und ihr helfen, doch Regisseurin Uricaru zwingt Mara, all dies alleine durchzustehen. Der von Malina Manovic mit einnehmender Präsenz verkörperten Hauptfigur wird allmählich klar, dass der Traum vom Leben in den USA alles andere als leicht zu realisieren ist. Auch weil sich die Bearbeitung ihres Antrags ins Unendliche zieht. Ein wichtiger Aspekt, den der Film – in Zeiten der globalen Flüchtlingskrise – thematisiert: Die bürokratischen Hürden sind schwer zu nehmen und es bedarf enormer Geduld und Leidensfähigkeit auf Seiten der Migranten, um die für den Neustart erforderlichen, behördlichen Unterlagen und Dokumente zu erhalten. So sie überhaupt ausgestellt werden.  

Zudem verdeutlicht „Lemonade“, dass die Entscheidungen  in vielen Fällen auch vom individuellen Entgegenkommen, der Nachsicht und vor allem den Kompetenzen des Sachbearbeiters abhängen. Dies war auch bei uns immer wieder Thema in den Medien, als sich vor allem zu Beginn des Jahres Meldungen über zu Unrecht abgeschobene Flüchtlinge häuften. „Lemonade“ geht noch deutlich weiter und vermengt diese Umstände mit Elementen und Inhalten der jüngsten „#metoo“-Debatte: Wenn Männer ihre Machtposition ausnutzen, um Frauen sexuell auszubeuten.

Denn Maras Sachbearbeiter ist ein rücksichts- und skrupelloser Profiteur, der alleine über die Ausstellung der Green Card entscheiden kann. In langen, ruhigen Einstellungen und ohne viele Schnitte, fängt Uricaru Maras (vor allem seelischen) Missbrauch durch den Behördenmitarbeiter ein. Und zwingt den Betrachter so, die Herabwürdigung in aller Deutlichkeit mit anzusehen. Ob im Auto des Sachbearbeiters, in dessen Büro oder in einem abseits gelegenen Motelzimmer. Dabei sind es in erster Linie dessen herabwürdigende Art und die vielen intimen Fragen, die verstören.

Zwar erweist sich Mara jederzeit als starker, mutiger und willensstark angelegter Charakter. Dennoch droht sie in stillen Momenten hin und wieder unter der Last der beständigen Diffamierung zusammenzubrechen. Das Ende des von Beginn an nachdrücklichen Films ist offen und es ist unsicher, wie es mit ihr weitergeht. Der Schluss passt sich damit der schwermütigen Gesamtstimmung des Films konsequent an.

Björn Schneider