Los Perros

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Eine Frau in ihren Vierzigern freundet sich mit einem 70-jährigen Reitlehrer an und findet in ihm einen Seelenverwandten. Alles läuft gut zwischen den beiden - bis sich herausstellt, dass der frühere Oberstleutnant in Verbrechen der Militärdiktatur verstrickt war. Das von einer beachtlich agierenden Hauptdarstellerin getragene, feinfühlig inszenierte Drama „Los Perros“ stellt Fragen nach dem richtigen Umgang mit Schuld und Verantwortung. In einem Land, in dem die Last der Vergangenheit bis heute nachwirkt.

Webseite: www.cineglobal.de

Chile 2017
Regie & Drehbuch: Marcela Said
Darsteller: Antonia Zegers, Alfredo Castro, Rafael Spregelburd, Juana Viale
Länge: 94 Minuten
Kinostart: 06. Juni 2019
Verleih: Cineglobal

FILMKRITIK:

Mariana (Antonia Zegers) führt rein objektiv betrachtet ein gut bürgerliches Leben. Mit ihrem Mann, einem erfolgreichen Unternehmer, bewohnt sie ein großes Haus auf einem üppigen Grundstück. Was zum familiären Glück noch fehlt ist ein Kind – so sieht es jedenfalls ihr Mann, der Mariana zu einer künstlichen Befruchtung überredet. Romantik und Liebe finden in der Ehe hingegen kaum noch statt. In dieser Phase der Unzufriedenheit kommt es zu einer Schicksalsbegegnung. Mariana lernt den Reitlehrer Juan (Alfredo Castro) kennen und die Chemie zwischen Beiden stimmt sofort. Bald nimmt sie Reitstunden bei dem attraktiven, älteren Herren, jedoch wird kurz darauf bekannt, dass Juan etwas verheimlicht.

„Los Perros“ (deutsch: „die Hunde“) ist der erste Film der chilenischen Regisseurin Marcela Said seit 2013. In jenem Jahr feierte sie ihr Regiedebüt mit der hochgelobten Tragikomödie „Der Sommer der fliegenden Fische“, der in Cannes seine Erstaufführung feierte. Der an Originalschauplätzen gedrehte „Los Perros“, der bereits 2017 entstand, debütierte in  Deutschland beim Filmfest München.

In „Los Perros“ geht es um Themen wie Reue, Vergangenheitsbewältigung und den Umgang mit Schuld. Die Auswirkungen der chilenischen Militärdiktatur (von 1973 bis 1990 überzog der Despot Augusto Pinochet das Land mit Folter und Terror) wirken bis in die Gegenwart. Vieles wird bis heute verschwiegen und verheimlicht. So ist es auch in der Familie von Mariana. Es kommt heraus, dass nicht nur Juan Mitglied der Geheimpolizei war und sich hinter einer Mauer des Schweigens versteckt. Auch Marianas Vater hat eine belastende Vergangenheit, der er sich nicht stellt. Allerdings dauert es lange bis die beharrliche Frau und die Zuschauer erfahren, was genau vorgefallen ist.

Später im Film richtet sich die Wut der einfachen Bürger gegen die Verlogenheit und Arroganz der früheren Militärs. Ein aufgebrachter Mob beschimpft Juan aufs Heftigste und konfrontiert ihn mit seinen Taten. All diese Ereignisse machen „Los Perros“ zu einem aufwühlenden Porträt einer verunsicherten, traumatisierten Gesellschaft, die die Verbrechen unter Pinochet nie vollständig aufgearbeitet hat. Unterdessen hat Mariana ihre eigenen Kämpfe auszufechten.

Die von Antonia Zegers glaubhaft und intensiv verkörperte Mittvierzigerin muss sich gegen eine Vielzahl an dominanten Männerfiguren in ihrem Leben behaupten. Was nicht automatisch alle Verhaltensweisen der Hauptfigur nachvollziehbar erscheinen lässt oder rechtfertigt. Warum zum Beispiel lässt sie sich zur Hormonbehandlung zwingen, wenn sie keinen Nachwuchs (zumindest nicht mit ihrem Mann) möchte? Warum erduldet sie das Leben und die Beziehung mit diesem, wenn sie darin doch so totunglücklich ist? An diesen Stellen bleibt einiges unklar.

Der eigentliche Reiz des Films besteht darin, Mariana dabei zu beobachten, wie sie in einer von Männern beherrschten, durch und durch patriarchalen Gesellschaft ihr Leben zu meistern versucht. Akkurat seziert Regisseurin Said die Beziehungen Marianas etwa zu ihrem herrischen Vater, der sich nie sonderlich für das Leben der Tochter interessiert hat. Oder zu einem schmierigen Polizeibeamten, der an den Ermittlungen gegen Juan beteiligt ist. Im Zentrum steht die fragile, hoch interessante Beziehung zu Juan. Zwischen ihm und Mariana besteht keine Liebesbeziehung, zumindest nicht im klassischen Sinn. Mehr als eine Freundschaft ist es aber auch. Das Verhältnis der Beiden ist mysteriös und auf eine gewisse Art magisch – bis zum tragischen Ende.

Björn Schneider