Meier Müller Schmidt

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Eigene WG-Erfahrungen ließ Regisseur Sebastian Peterson („Helden wie wir“) in seine unbeschwerte WG-Komödie „Meier Müller Schmidt“ einfließen. Darin durchleben drei junge Berliner in ihrer bunten Kreuzberger WG allerlei Skurriles und Spannendes. Der sympathische Film lebt von seinem flotten Soundtrack und einem hohem Maß an inszenatorischer und stilistischer Experimentierfreude. Der eigentliche Hauptgewinn für den Film, der nahezu ohne öffentliche Förderung auskam, sind aber die drei frischen, glaubwürdigen Jung-Darsteller. Da hätte es die arg bemühten dramatischen Elemente und Wendungen gar nicht gebraucht.

Webseite: www.barnsteiner-film.de

Deutschland 2016
Regie: Sebastian Peterson
Drehbuch: Sebastian Peterson
Darsteller: Ferenc Graefe, Julia Philippi, Jules Armana, Nicolás Artajo, Anna Thalbach, Christian Wewerka, Klaas Heufer-Umlauf, MC Fitti
Länge: 85 Minuten
Verleih: Barnsteiner
Kinostart: 30. Juni 2016
 

FILMKRITIK:

Im Herzen des Berliner Szeneviertels Kreuzberg leben Julian Meier (Ferenc Graefe), Kasimir Müller (Jules Armana) und Max Schmidt (Nicolás Artajo) in ihrer WG zumeist in den Tag hinein. Pflichten wollen die drei Endzwanziger noch nicht übernehmen, stattdessen lesen sie sich jeden Morgen verkatert aus der Boulevard-Zeitung vor oder unterhalten sich über die neueste Modedroge. Natürlich bestimmt auch die drei Freunde kein Thema so sehr wie die Liebe. Während Julian nach der Begegnung mit der niedlichen Eva (Julia Philippi) auf Wolke Sieben schwebt, verliebt sich Kasimir – zum ersten Mal in seinem Leben – in einen Mann. Doch Freud und Leid liegen wie immer nah beieinander und schon bald treten Ängste und Verwirrung auf: während Julian Evas Geständnis, dass sie seine Halbschwester ist, erst noch verdauen muss, befürchtet Kasimir, sich mit HIV infiziert zu haben.

Sein Spielfilm-Debüt feierte der Hamburger Regisseur Sebastian Peterson 1999 mit der DDR-Satire „Helden wie wir“, die auf dem gleichnamigen Roman-Bestseller von Thomas Brussig beruht. Im Anschluss daran war Peterson lange Zeit im Animations-Bereich tätig. „Meier Müller Schmidt“ ist für ihn die Rückkehr in den Spielfilm-Sektor und zudem autobiografisch gefärbt, ließ er in das Werk doch viele seiner eigenen WG-Erfahrungen einließen. Zudem präsentiert der Film mit Anna Thalbach oder dem Comedian Klaas Heufer Umlauf eine illustre Riege an prominenten Nebendarstellern.

Ein großes Plus des Films sind die frisch agierenden Jung-Schauspieler. Vor der Kamera standen Ferenc Graefe, Jules Armana und Nicolás Artajo längst nicht zum ersten Mal, das merkt man ihrem Spiel an: sicher und glaubhaft spielen sie vor der Kamera und füllen ihre Rollen mit Leben und Esprit. Graefe ist aus Serien wie „Unser Charly bekannt, Armana war u.a. bereits in einem TV-Film mit Karolin Eichhorn zu sehen und der Berliner Artajo gehörte etwa zwei Jahre lang zum Cast der ZDF-Telenovela „Wege zum Glück“.

Dabei sind die drei Hauptfiguren gar nicht so langweilig und gängig wie es ihre geläufigen Nachnamen vermuten lassen. Julian (Graefe) ist ein emotionaler Träumer, der irgendwann als Drehbuchautor erfolgreich sein will und Kasimir (Armana) schwärmt für europäische Geschichte sowie einen jungen Berliner, der ihm den Kopf verdreht hat. Max (Artajo) hingegen versucht seine beiden größten Leidenschaften – Kommunismus und Marketing – irgendwie zu vereinen, bis es so weit ist, tummelt er sich auf Demos und kämpft gegen Rassismus. Die unterschiedlichen Charaktere mit individuellen Eigenarten, müssen in ihrer WG auf engstem Raum miteinander klar kommen. Hieraus ergibt sich viel (zwischenmenschliche) Spannung.

Auch stilistisch und bzgl. optischer Spielereien hat der Film viel zu bieten. Bewies Regisseur Peterson bereits bei „Helden wie wir“ durch die Trickfilmsequenzen enorme Experimentierfreude, so tobt er sich auch hier aus. Mal in Farbe, mal in Schwarz-Weiß, illustriert er z.B. die Gedanken der Hauptfiguren – ganz comic-like – mal in Texteinblendungen oder Sprechblasen oberhalb der Figuren oder wechselt bei den Szenen zwischen schnellen Schnitten und langen Einstellungen. Langeweile kommt so nie auf. Das Ganze ist untermalt vom pulsierenden Punk-Soundtrack der Beatsteacks. Der energische Alternativ-Sound passt zu den vielen rasanten Szenen (wie z.B. eine Schlägerei oder die zügigen Fahrten über die Straßen Kreuzbergs) dann auch wie die Faust aufs Auge.

Eine unbekümmerte, locker-leichte Stimmung durchzieht zu weiten Teilen den Film. Zudem ist der Humor-Anteil hoch, nicht zuletzt da einige Running-Gags gelungen in die Dramaturgie – und passend zu den Charaktereigenschaften der Protagonisten – eingebunden wurden. So wird der gutmütige Julian nicht nur einmal von festen Verabredungen versetzt und bald ist es ein festes Ritual, dass am WG-Frühstückstisch die jüngste, nächtliche Eroberung von Max Platz nimmt. Schade ist nur, dass der Film mit der „Geschwister-Problematik“ um Julian und Eva sowie der plötzlich entdeckten Homosexualität von Kasimir und dessen HIV-Angst ein wenig gewollt und arg bemüht versucht, Dramatik und Melancholie in den ansonsten heiteren, unbeschwerten Film zu bringen.

Björn Schneider