Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft

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Mamoru Hosoda hat sich für seinen Film „Mirai“ von seinen eigenen Kindern inspirieren lassen, lernte er bei ihnen doch etwas kennen, das er als Einzelkind niemals erleben musste: die Eifersucht von Geschwistern. Hier ist es der vierjährige Kun, dem die Eltern nach der Geburt der kleinen Mirai weniger Aufmerksamkeit zukommen lassen, weswegen er seine Schwester auch nicht mag. Immer wieder gerät er mit seinen Eltern aneinander, die Geister der Zukunft und Vergangenheit wollen ihm jedoch aufzeigen, wo er irrt. Der für den Oscar als bester Animationsfilm nominierte „Mirai“ ist ein Werk, bei dem zumindest diejenigen, die selbst Kinder haben, viel wiederentdecken werden.

Webseite: mirai-derfilm.de

Mirai no Mirai
Japan 2018
Regie & Drehbuch: Mamoru Hosoda.
Länge: 98 Minuten
Verleih: AV Visionen
Kinostart: 30. Mai 2019

Pressestimmen:

„Mirai verzaubert sowohl Kinder als auch Erwachsene.“ (Rolling Stone)
„...mit schier endloser Fantasie und so zartem Beobachtungswitz erzählt.“ (The Daily Telegraph)
„...ein Familienabenteuer mit Nuancen von Chihiros Reise ins Zauberland.“ (Time Out)
„...ein bezauberndes, nachhallendes Werk.“ ( The Hollywood Reporter)
„...schmerzhaft echte Gefühle und ein Hauch von Magie.“ (Now Magazine)

FILMKRITIK:

Bislang war der vierjährige Kun der Platzhirsch der Familie, der die ganze Liebe seiner Eltern abbekam, aber als seine kleine Schwester Mirai geboren wird, hat er immer öfter das Gefühl, ignoriert zu werden. Kun mag Mirai darum nicht, und lässt seine Wut an ihr aus, indem er sie mit seinem Spielzeug-Zug schlägt, wodurch er noch mehr von seiner Mutter geschimpft wird. Aber immer, wenn er sich ganz und gar verlassen fühlt, erhält er Besuch. Erst von einer menschlichen Verkörperung seines Hundes, dann von Mirai aus der Zukunft, die seine Hilfe braucht, und schließlich von seiner Mutter und seinem Urgroßvater, die auch mal jung waren. Denn eines ändert sich im Grunde nie: Wie Eltern und Kinder miteinander umgehen. Das ist von Generation zu Generation gleich.

Mamoru Hosoda verarbeitet autobiographische Elemente in diesem Film. Man merkt schon, dass sie ihm viel bedeuten, das überträgt sich aber nur bedingt auf das Publikum. Der Film erzählt nicht wirklich eine Geschichte, sondern besteht aus verschiedenen Vignetten, die alle keine besondere Relevanz haben. Dies ist das ganz normale Leben, könnte man sagen, aber in filmischer Form ist das eben nicht unbedingt besonders spannend.

In erster Linie richtet sich „Mirai“ wohl an Eltern, die sich daran erinnern können, wie ihre Kinder in diesem schwierigen Alter waren. Und wie sie waren – als junge Eltern, aber auch als Kinder, da sie nun die andere Seite kennen lernen.

„Mirai“ läuft im Grunde auf eine sehr simple Erkenntnis hinaus, die Kun von seiner zukünftigen Schwester mit auf den Weg gegeben wird: Dass alles so passiert, wie es passieren muss, und wenn nur Kleinigkeiten anders gewesen wären, dann wäre keiner von ihnen jetzt da. Als Fazit nimmt der kleine Junge dann mit, dass er sich seiner Baby-Schwester gegenüber besser benehmen muss. Aber dieser Wandel zum Ende des Films kommt zu abrupt, zumal der phantastische Aspekt mit den Besuchen der vergangenen und der zukünftigen Geister in einer Art Kind-Version von Charles Dickens‘ Scrooge immer losgelöst von der realen, gegenwärtigen Handlung erscheint. Hosoda gibt dem Zuschauer hier zu wenig an die Hand, um eine allgemeingültige Interpretation für das Geschehen zu finden.

Problematisch ist auch, dass die Hauptfigur sehr schnell auf die Nerven geht. Kun ist praktisch die gesamte Laufzeit des Films damit beschäftigt, zu schreien und zu kreischen, weil ihm irgendetwas nicht passt. Sympathie weckt man damit nicht, auch wenn man zumindest anerkennen muss, dass Hosoda die Manierismen eines solchen Jungen sehr authentisch darstellt.

Dennoch: „Mirai“ ist aller Nominierungen und Preise zum Trotz kein Film, der wirklich etwas auszusagen hätte. Er bewegt sich an der Oberfläche und punktet im Grunde nur mit wirklich schöner Animation.

Peter Osteried