Motherless Brooklyn

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Episch, ausladend, ambitioniert, aber auch altmodisch und überfrachtet. All das ist „Motherless Brooklyn“, die zweite Regiearbeit von Schauspieler Edward Norton, der einen modernen Roman in die 50er Jahre verlegt, um von Rassismus und Stadtplanung in New York zu erzählen. Ein Herzensprojekt, im guten wie im schlechten.

Webseite: www.warnerbros.de

USA 2019
Regie: Edward Norton
Buch: Edward Norton, nach dem Roman von Jonathan Lethem
Darsteller: Edward Norton, Alec Baldwin, Willem Dafoe, Gugu Mbatha-Raw, Bobby Cannavale, Bruce Willis, Cherry Jones, Leslie Mann
Länge: 144 Minuten
Verleih: Warner
Kinostart: 12. Dezember 2019

FILMKRITIK:

Lionel Essrog (Edward Norton) leidet an einer Form des Tourette-Syndroms, sein Verstand dreht sich oft im Kreis, was zu unkontrollierten Ticks und herausgezischten Kommentaren führt, die nicht immer passend sind. Als Waisenkind hätte er im New York der 50er Jahre kaum eine Chance, doch der Privatdetektiv Frank (Bruce Willis) hat ihn unter seine Fittiche genommen. Doch nun ist Frank tot, erschossen bei den Ermittlungen zu einem Fall, der weite Fäden zieht.
 
Fest entschlossen, den Mord an seinem Mentor aufzuklären, macht sich Lionel auf die Fährte, die ihn bald auf die Spur von korrupten Machenschaften hinter den Kulissen der Stadt führt. Vor allem der Stadtplaner Moses Randolph (Alec Baldwin) kommt in sein Visier, der New York radikal verändern will, zwar auch zum Zwecke der Stadtentwicklung, nicht zuletzt aber auf eine Weise, die die Minderheiten, die Armen, die schwarze Bevölkerung New Yorks diskriminiert.
 
Vor gut 20 Jahren kam mit „Glauben ist alles!“ das Regiedebüt von Schauspieler Edward Norton ins Kino, eine eher leichte Komödie, und seitdem versuchte Norton den Nachfolger zu finanzieren. 1999 war Jonathan Lethems Roman „Motherless Brooklyn“ erschienen und vor allem wegen seiner ungewöhnlichen Hauptfigur gelobt worden: Ein am Tourette-Syndrom leidender Privatdetektiv. Eine wie für Norton geschriebene Figur, der seit seinem Debüt „Zwielicht“ immer wieder Rollen übernommen hat, die ein wenig anders ticken als der Durchschnitt.
 
Doch den Roman zu verfilmen war Norton nicht genug, er verlegte die Handlung in die 50er Jahre, was zum einen ästhetische Gründe hatte: Für einen Film, der ein moderner Film Noir sein möchte, bieten die ausladenden Straßenkreuzer jener Zeit, die breitkrempigen Hüte, die verrauchten Jazz-Kneipen attraktive Motive, die hier in jedem Moment ansprechend in Szene gesetzt sind.
 
Vor allem aber politische, denn der Antagonist Moses Randolph ist unzweideutig dem ebenso legendärem wie berüchtigtem New Yorker Stadtplaner Robert Moses nachempfunden, der die  amerikanische Metropole prägte wie kein Zweiter. Radikale Änderung setzte Moses durch, ließ ganze Stadtviertel abreißen, um Platz für Neubauten zu schaffen, baute Brücken und Schnellstraßen und hätte fast – bevor Bürgerinitiativen – ihn stoppten, auch die Südspitze Manhattans komplett umgebaut.
 
Vermeintlich geschah dies alles im Sinne des Fortschritts, doch zumindest ein Anreiz für Moses war auch, in seinen Augen unliebsame Elemente aus der Innenstadt zu vertreiben: Arme, Schwarze, Migranten. Nicht offen diskriminierend ging Moses dabei vor, sondern versteckt, im Schatten der Modernisierung. Leicht lassen sich hier Parallelen zur Gegenwart finden, zu Machenschaften der Regierenden nicht nur in New York, zum Bemühen der schwarzen Bevölkerung Amerikas, endlich mit Respekt behandelt zu werden.
 
Es ist fraglos eindrucksvoll, dass es Norton überhaupt gelungen ist, dieses aufwändige Projekt auf die Beine zu stellen, zahllose hervorragende Schauspieler vor die Kamera zu holen, die Atmosphäre New Yorks in den 50er Jahren so überzeugend einzufangen. So viele einzelne Elemente hat er jedoch in zweieinhalb Stunden gepresst, dass er immer wieder droht, die Orientierung zu verlieren. Man mag „Motherless Brooklyn“ für seine Ambition bewundern, als runder Film ist das Ergebnis am Ende nur bedingt gelungen.
 
Michael Meyns