The Gentlemen

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Nach seinen Ausflügen ins viktorianische England von Sherlock Holmes und in die mythische Zeit von König Artus kehrt Guy Ritchie mit „The Gentlemen“ zu seinen Wurzeln zurück. Er erzählt ein elegant gesponnenes Gangster-Garn, das an seine frühen Werke „Bube Dame König Gras“ und „Snatch“ erinnert. Hier steht der von Matthew McConaughey gespielte Mickey Pearson im Mittelpunkt, der einer der größten Marihuana-Anbieter Großbritanniens ist, sich nun aber aus dem Geschäft zurückziehen will, was zu reichlich Verwerfungen führt. Natürlich immer erzählt mit Ritchies Gespür für geschliffene Dialoge.

Webseite: www.thegentlemen-film.de

USA 2020
Regie & Drehbuch: Guy Ritchie
Darsteller: Matthew McConaughey, Charlie Hunnam, Hugh Grant, Colin Farrell
Länge: 107 Minuten
Verleih: Universum Film
Kinostart: 27. Februar 2020

FILMKRITIK:

Der Exil-Amerikaner Mickey Pearson (Matthew McConaughey) hat es in Großbritannien zu etwas gebracht. Er ist der größte Produzent und Vertreiber von Marihuana und denkt nun darüber nach, sein Geschäft für 400 Millionen Dollar zu verkaufen. Einen Interessenten gibt es in Matthew (Jeremy Strong). Aber auch andere wittern das große Geschäft, so der Triaden-Emporkömmling Dry Eye (Henry Golding) oder der Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant). Der sieht die Chance gekommen, an 20 Millionen Pfund zu kommen, die er Mickey abpressen will. Zu dem Zweck sucht er dessen rechte Hand Raymond (Charlie Hunnam) auf und beginnt, ihm eine Geschichte zu erzählen, von der er sicher ist, dass Mickey sie lieber nicht in die Öffentlichkeit gezerrt sehen möchte.

Einen Film wie „The Gentlemen“ hat man von Guy Ritchie schon lange nicht mehr gesehen. Man fühlt sich angenehm an seine frühen Gangster-Filme erinnert, die auch in England spielten, mit skurrilen Figuren punkten und bei denen Coolness Teil der DNS war. Gleiches hat man nun mit Ritchies neustem Werk, das in erzählerischer Sicht wundervoll gestaltet ist. Erst lässt Ritchie den Zuschauer glauben, dass Matthew McConaugheys Figur ins Gras beißen muss, dann lässt er Hugh Grant und Charlie Hunnam aufeinander los. Der eine ein überkandidelter Privatdetektiv, der mit sexuellen Avancen nur so um sich wirft, der andere ein betont ruhiger Mann, unter dessen Fassade es aber brodelt.

Die Szenen der beiden sind die Rahmenhandlung, aus der heraus Ritchie seine Geschichte dem Zuschauer präsentiert. Es sind herrlich geschliffene Dialoge, die die Szenerie bestimmen. Sie zeigen Ritchies unglaublich gutes Geschick dafür, sowohl glaubwürdige, als auch ikonische Texte zu verfassen. Hier gibt es wieder einiges, das in den Zitatenschatz von Filmfans übergehen wird.

Die Geschichte ist gekonnt konstruiert und so gestaltet, dass es immer wieder Überraschungen und Wendungen gibt, weil man letztlich auch keinem der Handlungsträger trauen kann. Jeder von ihnen kann überraschen – und mehr als einmal tun sie das auch. Die Rollen, die Ritchie einigen seiner Schauspieler, mit denen er schon gearbeitet hat – Hunnam in „King Arthur“, Grant in „Codename U.N.C.L.E.“ – sind einfach nur köstlich. Aber auch für Colin Farrell, der sich erstmals in einem Ritchie-Ensemble einfindet, gibt es eine wundervolle Nebenrolle. Er ist der Coach, ein vermutlich ehemaliger Gangster, der hilft, junge Männer mit Boxen auf den rechten Weg zurückzubringen, der aber auch in diese Geschichte hineingezogen wird. In seinem Trainingsanzug, mit Undercut und Hut ist Farrell das Coolste am Film, auch und gerade, weil der Ire es wie kaum ein anderer versteht, mit kleinen Bewegungen das Publikum zum Johlen zu bringen. Die Szene, als er Charlie Hunnams Figur zu Hilfe eilt, ist einfach delikat.

Ritchies visueller Stil ist in jedem seiner Filme bemerkbar, von der Art der Kameraführung bis zum Schnitt, inhaltlich ist „The Gentlemen“ aber das, was seine Fans seit langer Zeit wieder sehen wollen. Eine Rückkehr zur alten Form und zurück zu einem Sujet, in dem er zwei der großen Klassiker des modernen Gangsterfilms abgeliefert hat. Anders als früher sind die Gauner jetzt aber etwas vornehmer geworden. Echte Gentlemen halt, die aber dennoch nicht davor zurückschrecken, zu drastischen Mitteln zu greifen, um ihren Willen durchzusetzen.

Peter Osteried


Nach Jahren in Hollywood kehrt Guy Ritchie mit „The Gentlemen“ zurück zu seinen Anfängen in London und dem Gangsterkino. Ganz kann er die Jahre in Amerika jedoch nicht abschütteln, auch Ritchie ist älter geworden, sein Stil souveräner und längst nicht mehr so rebellisch wie vor 20 Jahren, doch für zwei Stunden unterhaltsames Popcornkino reicht es allemal.

Er ist der König von East London: Mickey Pearson (Matthew McConaughey), ein Amerikaner aus einfachen Verhältnissen, der einst mit einem Stipendium nach England kam, dort aber sein wahres Talent entdeckte: Dealen. Nicht mit weißem oder gar braunem Pulver, sondern mit Gras; er bevorzugt Drogen, die nicht töten, sagt er einmal.

Im Lauf der Jahre hat sich Mickey ein Netz an Produktionsstätten erarbeitet und ist mit der schönen Rosalind (Michelle Dockery) verheiratet, doch nun hat er genug. Für 400 Millionen britische Pfund will er sein Imperium verkaufen, doch schon das Gerücht, dass der König sich zur Ruhe setzen will, bringt das Machtgefüge durcheinander.

Ein Mitglied der chinesischen Triaden namens Dry Eye (Henry Golding) scheint Mickeys Platz einnehmen zu wollen, so zumindest erzählt es der Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant) Mickeys rechter Hand Ray (Charlie Hunman). Eigentlich arbeitet Fletcher für eine Zeitung, ein Deal mit den Gangstern könnte aber mehr für ihn abwerfen, doch er hat die Rechnung ohne den König gemacht.

„Bube Dame König Gras“ und „Snatch“ hießen die Filme, mit denen Guy Ritchie vor gut 20 Jahren bekannt wurde und dank denen er für kurze Zeit als britische Antwort auf Quentin Tarantino galt. Eine Ehe mit Madonna und einige Flops später drehte er Hollywood-Blockbuster wie „Sherlock Holmes“ und „Codename U.N.C.L.E.“, kommerziell erfolgreiche Projekte, die nun die Rückkehr zu seinen Wurzeln ermöglichen.

Viel erzählerischen Aufwand betreibt Ritchie dabei: Über weite Strecken ist es der Privatdetektiv Fletcher, der die bisherigen Ereignisse zusammenfasst, bebildert in langen Rückblenden, die teils reine Phantasie sind. Für Momente scheint es, als wollte Ritchie hier mit der Figur eines unzuverlässigen Erzählers spielen, zumal Fletcher auch noch einen Nebenjob als Drehbuchautor hat, der scheinbar ein Buch über die Ereignisse des Films geschrieben hat, den man gerade sieht.

Doch all diese Versuche, Mythologie und Klischees des Gangster-Genres zu hinterfragen, vielleicht auch einen Moment der Selbstreflexion einzufügen, bleiben letztlich im Ansatz stecken. Ebenso wie sanfte Anspielungen an die britischen Klassenunterschiede, den nahenden Brexit und seine Folgen und die sozialen Verhältnisse in East London.

Was Ritchie kann, was er mit großer Souveränität zelebriert, ist ein Lebensgefühl zu zelebrieren, die Lässigkeit, aber auch die Macken seiner Figuren einzufangen, die größtenteils so perfekt gestylt wirken, als wären sie direkt aus den Seiten eines Modemagazins auf die Leinwand gewechselt. Wohl gemerkt eines für Männer, denn „The Gentlemen“ ist – wie der Titel schon vermuten lässt – ein Film von Männern über Männer. Frauen spielen praktisch gar keine Rolle, sind zwar auch nicht Opfer sexistischer Witze oder bloßer Objektivierung, doch ihre Abwesenheit ist nicht zu übersehen. Nicht unbedingt ein zeitgemäßer Film also, doch wenn man sich daran nicht stört, bietet Guy Ritchies Rückkehr nach Hause altmodische, leichte Unterhaltung.

Michael Meyns