Alpgeister

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Vom Untersberg im Osten bis zum Hochgrat im Westen der bayerischen Alpen begibt sich Walter Steffen auf eine Reise durch Zeit und Raum. Es geht um unerklärliche Phänomene und geheimnisvolle Kräfte. Einst glaubten die Bergbewohner an Feen, Kobolde, Naturgeister und andere übersinnliche Wesen, denen sie ungeheure Macht zusprachen. Der Dokumentarfilmer lässt in „Alpgeister“ Einheimische über diese alten Sagen reflektieren - und auf diese Weise eine fast vergessene Welt voller Mysterien auferstehen.

Webseite: konzept-und-dialog.de

Deutschland 2019
Regie & Drehbuch: Walter Steffen
Länge: 96 Minuten
Kinostart: 18.07.2019
Verleih: Konzept & Dialog Medienproduktion

FILMKRITIK:

Seit Jahrhunderten erzählt man sich in den Städten und Gemeinden der Bayerischen Alpen Geschichten über mysteriöse, von Berggeistern, Hexen und Kobolden bewohnte Zwischen-welten. Die Bewohner glaubten, dass diese Kräfte den Menschen helfen und sie vor Leid bewahren konnten. Aber die spirituellen Wesen hatten angeblich auch die Macht, die Menschen in großes Unheil zu stürzen. Die Dokumentation „Alpgeister“ von Walter Steffen befasst sich mit dieser geheimnisvollen, surrealen Mythen- und Sagenwelt.

Als Autor, Regisseur und Produzent realisiert Steffen seit 2007 seine filmischen Arbeiten, darunter vor allem Dokumentarfilme. Bereits seit den mittleren 80er-Jahren war der gebürtige Oberstdorfer (Oberallgäu) als freier Drehbuchautor tätig. Nachdem er sich zunächst auf Schulungs- und Imagefilme konzentriert hatte, kamen im Laufe der Zeit fiktionale Werke für Film und TV hinzu. Er lebt und arbeitet heute am Starnberger See. „Alpgeister“ feierte Premiere auf der Flussbühne im oberbayerischen Wolfratshausen.

Durch die Gespräche mit den Einheimischen zeigt sich, wie intensiv der Glaube der Menschen an die alpinen Berggeister einst war. Die wahrhaftigen, eindringlichen Berichte der Befragten, denen Steffen genügend  Raum für ihre Äußerungen zugesteht, sind eine Stärke von „Alpgeister“. Sie verdeutlichen, wie stark der Alltag der Menschen von diesem „Zwischenreich“ geprägt wurde. Und dass der Respekt vor dieser jenseitigen Parallelwelt – aufgrund der von ihr ausgehenden Macht – gewaltig war. Und es bis heute ist.

Ein Ort auf der anderen Seite der Zeit, der über das menschlich Begreifbare hinausgehe, wie es eine Dorfbewohnerin formuliert. „Schon als Kind wusste ich, dass es etwas Metaphysisches zwischen Himmel und Hölle gibt“, sagt ein anderer. In nachgestellten Spielszenen werden diese Erzählungen und Märchen auf der Leinwand zu neuem Leben erweckt. Geschickt hebt Steffen sie durch klug eingesetzte optische Elemente sowie visuelle Effekte vom Rest des Films ab. Zum Einsatz  kommen Animationen, Schwarz-Weiß-Aufnahmen und farblich verfremdete Bilder, die den Zuschauer glaubhaft zurück in die Vergangenheit versetzen.

Der Regisseur konzentriert sich bei seinen Betrachtungen nicht nur auf einen Ort. Er bereist unter anderem das Werdenfelser Land, das Alpenvorland, die Region rund um den Untersberg in den Berchtesgadener Alpen sowie Garmisch-Patenkirchen. All diese Orte und deren Natur fängt er in imposanten, prächtigen Bildern ein, viele davon aus der Luft aufgenommen: die rustikalen Bergmassive, die wilden Täler und Schluchten, die Flüsse, Höhlen und ursprünglichen Waldlandschaften.

Gerade die Impressionen der nebelverhangenen Wälder und hochragenden Felswände sind beeindruckend und bleiben im Gedächtnis – auch weil sie die immer wieder auch abgründigen, rätselhaften Themen und Inhalte der  uralten Legenden perfekt visualisieren. Darüber legt Steffen mal erhabene, mal etwas bedrohlicher anmutende Instrumentalmusik, die sich den Bildern wunderbar anpasst. Und ganz nebenbei ist der Lehreffekt ungemein hoch. So informieren die Interviewten etwa darüber, dass viele der geläufigen Bezeichnungen für Schluchten und Tälern auf eben jene Mythologie und Mystik zurückgehen (u.a. das Höllental, der Teufelsgrat). Ein Anwohner fasst es passend zusammen: „Es geistert und spukt einfach überall.“

Björn Schneider