Der Leuchtturm

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Wie Einsamkeit langsam zu Wahnsinn führt beschreibt Robert Eggers in seinem spektakulären Film „Der Leuchtturm“, in dem Willem Dafoe und Robert Pattinson mit ganzen Körpereinsatz agieren. Gefilmt in fast quadratischem schwarz-weiß Format wirkt die Schauergeschichte wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, mystisch, wild und exzessiv.

Webseite: www.universalpictures.de

The Lighthouse
USA 2019
Regie: Robert Eggers
Buch: Max Eggers & Robert Eggers
Darsteller: Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman
Länge: 110 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 28. November 2019

FILMKRITIK:

Auf eine sturmumtosten, abgelegenen kleinen Insel, vor der Küste Neuenglands, treten in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, zwei Leuchtturmwärter ihren Dienst an: Der erfahrene Thomas Wake (Willem Dafoe) und sein Lehrling Ephraim Winslow (Robert Pattinson). Wochen müssen sie gemeinsam auf dem Außenposten verbringen und dafür sorgen, dass der Leuchtturm seinen Zweck erfüllt, sich das gleißende Licht im Turm dreht und die Schiffe warnt.
 
Viel zu sagen haben sich die beiden schon äußerlich rauen Männer nicht, der jüngere Winslow scheint einiges auf dem Kerbholz zu haben, versucht als Leuchtturmwärter genug Geld zu verdienen, um sich zur Ruhe zu setzen. Dieser Plan wird vom älteren Wake nur belächelt. Der Seebär, der stets eine Pfeife im Mund trägt und seinen Assistenten wie einen Sklaven behandelt, offenbart zunehmend seltsames Verhalten, schließt sich in seinem Refugium, der obersten Etage des Leuchtturms, ein, tanzt nackt vor dem Licht des Signalfeuers und betet unbekannte Wesen an.
 
Zunehmend wird auch Winslow von der seltsamen Kraft des Ortes, von der Macht der Einsamkeit befallen, imaginiert Begegnungen mit einer sinnlichen Meerjungfrau (Valeriia Karaman) und verfällt langsam dem Wahnsinn.
 
Schon in seinem Debütfilm „The Witch“ hatte Robert Eggers großes Gespür für Atmosphäre und historische Genauigkeit bewiesen. Im Neuengland zu Zeiten der Hexenverfolgungen war jener Film angesiedelt, der so genau recherchiert war, das er fast wie eine Dokumentation wirkte. Nicht zuletzt die Dialoge waren der Sprache des 17. Jahrhunderts nachempfunden und wirkten so noch seltsamer.
 
Für seinen zweiten Film „Der Leuchtturm“ hat Eggers sich sprachlich vor allem von Herman Melville inspirieren lassen und seinen Darstellern Dialoge geschrieben, die allein durch ihren veralteten Satzbau eine unwirkliche Atmosphäre erzeugen. Doch das ist nicht alles: Auch wenn der zentrale Schauplatz, der Leuchtturm, wie ein historisches Gebäude wirkt, ist er doch ein Set, gebaut auf einer Landzunge in Kanada. Dass Eggers zudem mit alten Linsen filmte, in einem fast quadratischen schwarz-weiß Format, wie es in der Stummfilmzeit verwendet wurde, braucht man kaum zu erwähnen.
 
Doch all diese technischen Spielereien, das Bemühen um historische Genauigkeit, die weit über das hinaus geht, was während des Films überhaupt wahrzunehmen ist, wären nur manierierter Selbstzweck wenn Eggers Vision nicht auch inhaltlich zu überzeugen wüsste. Und das kann sie, nicht zuletzt dank seiner beiden Hauptdarsteller, die sich mit Verve und Enthusiasmus in ihre Rollen und den zunehmenden Wahnsinn stürzen. Von Willem Dafoe ist man über die Jahre nichts anderes gewohnt, aber auch der sich zunehmend zum ernstzunehmenden Darsteller entwickelnde ehemalige Teenie-Star Robert Patinson überzeugt in jedem Moment. Im Zusammenspiel, aber auch in isolierten Szenen, in denen sie mit den Gezeiten, riesigen, aggressiven Möwen oder der verführerischen Meerjungfrau ringen, geben sie sich ganz der Situation hin und lassen spüren, wie die Isolation ihre Figuren in den Wahnsinn treibt.
 
Eine gotische Horror-Geschichte ist Eggers hier gelungen, ein schwer zu definierendes Stück Kino, das mit bemerkenswerter formaler Klasse Bilder und Töne zu einem immer intensiveren Rausch formt, der fraglos zu den seltsamsten, aber auch eindrucksvollsten Kino-Erfahrungen gehört, die man in diesem Jahr erleben kann.
 
Michael Meyns