Der wunderbare Garten der Bella Brown

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Ein Zauber liegt über diesem Film – als würde eine keltische Amelie ihr Feenreich entdecken. Doch Bella Brown hat außer der Frisur und dem träumerischen Blick wenig mit der fabelhaften Kultfigur gemeinsam. Zum Beispiel muss sie innerhalb von vier Wochen ihren verwilderten Garten kultivieren, sonst droht der Rausschmiss. Für ein Mädchen, das panische Angst vor der Natur hat, ist das eine echte Herausforderung. Doch glücklicherweise findet sie Helfer in der Not. Und manchmal werden aus Feinden sogar Freunde…
Das ist pures Kinovergnügen: Die märchenhafte Komödie von der Einzelgängerin, die das Leben lieben lernt, ist einfach entzückend!

Webseite: www.BellaBrown-derfilm.de

Originaltitel: This Beautiful Fantastic
Land: GB/USA 2016
Regie und Drehbuch: Simon Aboud
Darsteller: Jessica Brown Findlay, Tom Wilkinson, Andrew Scott, Jeremy Irvine, Anna Chancellor
Kamera: Mike Eley
101 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 15. Juni 2017

FILMKRITIK:

Schon der Beginn ihres Lebens war ein Märchen, das allerdings nicht besonders schön begann, denn Bella Brown wurde als Baby ausgesetzt und verdankt ihr Leben ein paar Teichenten, die sie mit ihren Körpern wärmten, bis ein Rentner zufällig das schreiende Kind entdeckte. Mittlerweile ist Bella erwachsen, aber leider auch ziemlich spleenig: eine gehemmte Einzelgängerin, die sich vor allem fürchtet, was mit der Natur zu tun hat (außer vor Enten), und die ihr Leben nach festen Regeln gestaltet. Ihr Essen ordnet sie ebenso penibel auf dem Teller wie die Konservenbüchsen im Schrank, und für jeden Tag hat sie eine andere Zahnbürste. Das ist natürlich alles relativ durchgeknallt, aber Bella hat sich ganz gut eingerichtet in ihrer Einsamkeit und mit ihren zahllosen Neurosen. So braucht sie eine halbe Ewigkeit, um ihr Häuschen zu verlassen. Zigmal vergewissert sie sich, ob sie wirklich abgeschlossen hat, und wahrscheinlich ist das der Grund, warum sie regelmäßig zu spät zur Arbeit kommt. Der Job in der Bibliothek könnte ideal für sie sein, wenn ihre strenge Chefin Bramble nicht wäre, die mit ihr über Buchstabentafeln kommuniziert. Außerdem wird sie von ihrem mies gelaunten Nachbarn genervt. All das hat Bella gelernt zu ertragen. Doch eines Tages gerät Bellas Leben aus den Fugen, denn der Hausverwalter erscheint uneingeladen und setzt ihr nach einer Besichtigung des vollkommen verwahrlosten und verwilderten Gartens ein Ultimatum: Entweder bringt sie innerhalb eines Monats den Garten auf Vordermann oder sie bekommt die Kündigung.
 
Die Aufgabe überfordert Bella in jeder Beziehung. Schon der erste Versuch, im Garten zu arbeiten, endet in einer Katastrophe. Doch Bella findet einen Verbündeten, denn der freundliche Vernon, Koch und Faktotum bei Bellas Nachbar Alf Stephenson, will sich die Gemeinheiten seines Chefs nicht mehr gefallen lassen und kündigt fristlos. In einem Anfall unerwarteter Kühnheit stellt Bella ihn ein – sie hofft, Vernon könnte ihr im Garten behilflich sein. Schließlich stellt sich heraus, dass Bellas Nachbar, der ebenso zynische wie reiche Alf, entgegen aller Vermutungen doch ein Herz hat. Er schenkt Bella ein Buch, das sie in die Geheimnisse des Gärtnerns einweiht. Eigentlich könnte es jetzt zwischen Vernon und Bella funken, aber da ist auch noch der schüchterne Erfinder Billy, den Bella in der Bibliothek kennen lernt und der sie mit seinen Experimenten fasziniert.
 
Wie sich Bellas Leben verändert, weil sie einen Garten erschaffen muss, ist nicht nur für Landlust-Fans und Hobbygärtner eine wahre Wonne. Bella lernt die Natur zu lieben: die Vielfalt, das Wachstum, die immerwährende Erneuerung. Doch der Weg dorthin ist lang und im wahrsten Sinne des Wortes dornig. Wenn Bella zum ersten Mal ihr Haus verlässt und die Tür halb offen stehen lässt, dann zeigt sich vielleicht darin am radikalsten ihre Veränderung: Liebe besiegt Kontrollzwang – und die Liebe zur Natur kann ebenso wachsen wie die zu einem Menschen.
 
Das Drehbuch scheint auf einer literarischen Vorlage zu beruhen, so klug durchdacht sind Charaktere und Story, so poetisch, witzig und zaubrisch schön erzählt es davon, wie wichtig Freundschaft ist und wie schön das Leben sein kann, wenn man den Moment genießt und einen Blick für Kleinigkeiten hat. Doch der Regisseur Simon Aboud hat selbst das Drehbuch geschrieben, er spielt Puzzle mit vielen hübschen Einzelteilen, die sich am Ende aufs Liebenswerteste zusammenfügen, und hier gibt es durchaus Ähnlichkeiten mit Amelies Welt. Cineastisch findet er ebenfalls gute Wege: Ein Erzähler trägt das „Es war einmal“-Gefühl in die Dramaturgie. Er kommentiert Bellas Wege und Irrwege mit feiner Ironie und stellt sich bald als Bellas Nachbar Alf heraus. Einige unerwartete und hübsch komponierte Tricksequenzen tragen Fantasy-Elemente in die Handlung und erinnern damit ebenfalls an „Amelie“, ohne allzu realitätsfremd zu wirken. Für die märchenhafte Atmosphäre sorgt aber auch das Setting, das in einer ungewissen Zeit und an einem unbestimmtem Ort angesiedelt ist. Bella selbst lebt in einer Art Zwischenwelt, es gibt Andeutungen, dass sie keine Engländerin ist, denn sie spricht auch Gälisch. Sie trägt meist dunkle Kleidung, die an die 30er und 40er Jahre erinnert – der Vintagestil dominiert sämtliche Kostüme. Es gibt keine Handys und Computer im Film, manches könnte aus den 50er Jahren stammen, ein Kofferradio ist im 70er-Look, und einige Uhren haben digitale Anzeigen. Das ist geschickt gemacht, der Soundtrack (Anne Nikitin) nimmt all diese Elemente auf und kombiniert stimmungsvoll Klassik, Jazz und Folk. Die meistens ruhigen Bilder hat Mike Eley gestaltet, dem es gelingt, einen angenehm altmodischen Touch unauffällig mit zeitgemäßer Technik zu verbinden.
 
Jessica Brown Findlay spielt Bella mit einer Zurückhaltung, die gut zu ihrer Rolle passt. Dass sie auch Dramaqueen sein kann, zeigt sie, wenn sie – gekleidet in einen Stil, der an eine viktorianische Vampirwitwe erinnert – durch ihren eigenen Garten irrt. Mit ihren großen, gleichzeitig wissenden und fragenden Augen erinnert sie, sicherlich nicht ganz unbeabsichtigt, an Audrey Tautou. Doch ist sie im Gegensatz zu Amelie absolut nicht schalkhaft und deutlich weniger aktiv, immerhin aber romantisch, ein Mädchen mit Träumen: Bella möchte Kinderbücher schreiben. Beinahe mehr im Mittelpunkt als Bella steht Tom Wilkinson als ihr Nachbar Alf. Mit seinem bärbeißigen Humor und den treffsicheren Sprüchen passt er gut zu Andrew Scott als Vernon. Der spielt ebenso schlagfertig wie warmherzig, ein origineller Pragmatiker, der für jedes Problem eine Lösung bereithält. Als Erfinder Billy wirkt Jeremy Irvine ein bisschen wie Harry Potter als Ingenieursstudent, ein liebenswert schüchterner und ebenfalls ziemlich schrulliger Junge, der für seine Erfindungen lebt. Hier haben alle einen kleineren bis größeren Knacks, aber das stört niemanden, denn es geht um Freundschaft und Liebe. Wie im richtigen Leben gibt es weder schwarz noch weiß, weder gut noch böse. Und genau wie in der Wirklichkeit gibt es auch in diesem wunderhübschen Märchen den Zauber des Augenblicks, der Wunder bewirken kann.
 
Gaby Sikorski