Gelobt sei der kleine Betrüger

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Ein Gefängnisfilm der etwas anderen Art: In der pointierten, ironischen Dramödie „Gelobt sei der kleine Betrüger“ nehmen die Inhaftierten ein Sonnenbad statt sich prügeln und schauen gemeinsam TV-Seifenopern. Mittendrin: der gutmütige, sympathische Kleinkriminelle Ahmad, der Gefallen am Gefängnisalltag findet. „Gelobt sei der kleine Betrüger“ führt den Zuschauer genüsslich an der Nase herum, indem er dessen Erwartungen mit viel schwarzem Humor geschickt unterläuft.

Webseite: www.neuevisionen.de

Deutschland, Jordanien, Niederlande 2016
Regie & Drehbuch: Mahmoud al Massad
Darsteller: Ahmad Thaher, Maher Khammash, Omar el Natshe, Odai Hijazi, Nadeem Rimawi
Länge: 83 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 17. August 2017

FILMKRITIK:

Der 45-jährige Bauunternehmer Ahmad (Ahmad Thaher) kommt für eine kleine Dummheit in den Knast: Von dem Geld, das er für einen Bauauftrag erhielt, kauft er sich zehn Laptops, die er gewinnbringend weiterverkaufen will. Wenig begeistert zeigt sich sein Auftraggeber, der dem eigentlich liebenswürdigen und harmlosen Ahmad die Polizei auf den Hals hetzt. Das Urteil des Richters: drei Monate Haft. Zu Beginn fällt Ahmad die Zeit im Gefängnis schwer, auch weil er sich Gedanken um seine Familie macht. Aber langsam gewöhnt er sich an das Leben dort und findet Gefallen daran: es gibt jeden Tag eine warme Mahlzeit und er ist zudem vor fiesen Geldeintreibern geschützt, mit denen er sich sonst herumärgern müsste. Unterdessen werden seine bestellten Laptops bei der Einfuhr vom Zoll beschlagnahmt.

„Gelobt sei der kleine Betrüger“ zeigt einen Mann, der ausgerechnet an einem Ort sein Glück findet, den jeder andere nie von Innen sehen möchte: im Gefängnis. Die Dramödie wurde vom jordanischen Filmemacher Mahmoud al Massad inszeniert. Er erlangte international vor allem durch seine Dokus Bekanntheit, für die er vielfach ausgezeichnet wurde. Allen voran für seinen Film „ Recycle“ (2007), in dem es um einen ehemaligen Mudschahid geht, der nach langer Abwesenheit in seine jordanische Heimat zurückkehrt. Auch Al Massad selbst lebte 20 Jahre im Ausland, bevor er für die „Gelobt sei der kleine Betrüger“-Dreharbeiten wieder nach Jordanien kam.

Die Hauptfigur des Films, Ahmad, ist wahrlich ein „kleiner“ Betrüger. Er ist Kleinkrimineller und Trickdieb, der überall versucht, das Beste für sich herauszuholen. Aber er ist in erster Linie auch ein „harmloser“ Betrüger. Denn Ahmad könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun und er trägt das Herz am rechten Fleck. Dass er zudem höchst sensitiv und sensibel veranlagt ist wird deutlich, als ihn die ersten Tage im Gefängnis doch merklich melancholisch stimmen.

Er weiß nicht ob er die drei Monate gut überstehen wird und auch um seine Familie macht er sich sorgen. Hauptdarsteller Ahmad Thaher verkörpert diesen gewitzten, sympathischen aber eben auch emotionalen Schelm mit fast jugendlicher Leichtfüßigkeit und reichlich Spielfreude. Da der Handlungsort beschränkt ist, gelingt es ihm fast ausschließlich anhand seiner facettenreichen Mimik, Emotionen zu vermitteln.

Im Gefängnis wird Ahmad nur „Old Man“ genannt, da er – fast komplett ergraut und Falten so tief wie Straßengräben – eher wie Ende 50 aussieht als wie Mitte 40. Rund 80 Prozent des Films spielen im Gefängnis, als klassischer „Knast-Film“ geht „Gelobt sei der kleine Betrüger“ aber garantiert nicht durch. Im Gegenteil: genüsslich zieht Regisseur Al Massad alle gängigen Gefängnisfilm-Klischees und Gangster-Stereotype mit viel schwarzem Humor durch den Kakao. Denn die Inhaftierten, die sich teilweise zu zehnt eine Zelle teilen müssen, sind durch die Bank eher harmlos-unbedeutende Betrüger als gefährliche Kriminelle.

Dementsprechend haben dann auch die Gründe für ihre Inhaftierung, so gar nichts mit Gewalt, Mord oder Totschlag zu tun. Am witzigsten ist der Film, wenn er das vom Zuschauer Erwartete radikal ins Gegenteil verkehrt und seine Sehgewohnheiten auf diese Weise großartig unterläuft: die obligatorische Knast-Dusch-Szene z.B. ist völlig harmlos und gewaltfrei. Zum Duschenden gesellt sich noch nicht mal ein Zellengenosse. Auch von wilden Schlägereien oder Grabenkämpfen innerhalb der Gefängnismauern im Film: keine Spur. Stattdessen sonnen sich die Inhaftierten im Gefängnis-Innenhof oder schauen gemeinsam eine Seifenoper im TV.

Ein wenig unnötig ist die Nebenhandlung von den aus Kanada importierten Laptops, der es an Raffinesse und Dramatik fehlt. Besonders schade aber ist, dass der Film ziemlich unerwartet und abrupt endet, und den Zuschauer daher unbefriedigt zurücklässt. Auch die Botschaft, die Al Massad mit seinem in einem Polizeitransporter angesiedelten Schluss vermitteln will, erschließt sich nicht wirklich.

Björn Schneider