Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar

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Von „Das fliegende Klassenzimmer“ bis „Bibi & Tina“ basieren gefühlt alle deutschen Kinder- und Jugendfilme auf Erfolgsvorlagen jeglicher Art. Die von verschiedenen Verbänden getragene Initiative „Der besondere Kinderfilm“ hält seit 2013 dagegen und will mehr Originalstoffe ins Kino bringen. Nach „Winnetous Sohn“ oder „Unheimlich perfekte Freunde“ ist „Invisible Sue - Plötzlich Unsichtbar“ ein weiterer Kinobeitrag der Reihe. Dem Regisseur Markus Dietrich („Sputnik“) gelingt ein schnittig und hochwertig inszeniertes Fantasy-Abenteuer, das seine Weltpremiere beim Kinderfilmfestival Goldener Spatz feierte.

Webseite: www.InvisibleSue.com

D/LUX 2018
Drehbuch & Regie: Markus Dietrich
Darsteller/innen: Ruby M. Lichtenberg, Anna Shirin Habedank, Lui Eckardt, Victoria Mayer, Luc Schiltz, Jeanne Werner, Tatja Seibt, Joyce Ilg
Laufzeit: 93 Min.
Verleih: farbfilm verleih
Kinostart: 31. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Die zwölfjährige Susanne (Ruby M. Lichtenberg), Rufname: Sue, wird als schlaue Außenseiterin von den Gören aus ihrer Klasse gehänselt – wenn man sie nicht gleich ganz wie Luft behandelt. Zuhause könnte es ebenfalls besser laufen, denn Sues Mutter Maria (Victoria Mayer) verbringt ihre Tage als Wissenschaftlerin fast komplett im Forschungslabor. Immerhin kann die Schülerin auf ihren verständnisvollen Vater Christoph (Luc Schiltz) bauen. Dann wirbelt ein unerhörtes Ereignis den Alltag auf: Bei einem Unfall im Labor der Mutter kommt Sue mit einem Serum in Kontakt und kann sich fortan unsichtbar machen. Die Ereignisse überschlagen sich, als finstere Anzugträger die Mutter entführen, um an das Unsichtbarkeitsserum zu gelangen. Zusammen mit der Tüftlerin Kaya alias „App“ (Anna Shirin Habedank) und dem neuen Mitschüler Tobi (Lui Eckardt) will Sue ihre Mutter retten. Dafür muss sie wie die Heldin aus ihren Lieblingscomics zur Superheldin werden.
 
Bei der Mixtur aus Jugend- und Comicfilm kommt einem die gelungene „Antboy“-Trilogie aus Dänemark in den Sinn, wobei der deutsche Beitrag dem dänischen Erfolg durchaus die Stirn bietet. Die Betulichkeit manch deutscher Kinder- und Jugendfilme ist bei „Invisible Sue“, der aufgrund einiger Twists für ältere Kinder jenseits der Grundschule geeignet ist, wie weggefegt.
 
Stattdessen entwirft der Autor und Regisseur Markus Dietrich ein wendungsreiches Abenteuer, das nicht nur mit dem englischen Titel in Richtung Hollywood zielt. Es gibt Verfolgungsjagden und Spannungsmomente, ein bisschen erste Liebe und neue Freundschaft, dramatische oder schlichtweg coole Zeitlupen und eine stylische Beleuchtung. Die Ausstattung gemahnt ebenso an amerikanische Filme, wenn Sues Schule mit den aufgereihten Spinden wie eine Highschool aussieht oder die Kinder in einem Diner à la „Pulp Fiction“ einkehren.
 
Auch der Superheldenaspekt wurde äußerst charmant gestaltet und zitiert manche Meisterwerke des Genres. Ein gemeinsames Mahl an einer langen Tafel lässt an die ähnliche Szene aus Tim Burtons „Batman“ denken, wobei es umso schöner ist, dass die Hausangestellte (wie die Mütter von Batman und Superman) Martha heißt. Batmans Butler Alfred kommt ebenfalls zu Ehren, wenn der digitale Assistent der Mutter, der überdies an „Iron Man“ und seine KI Jarvis erinnert, auf denselben Namen hört. Darüber hinaus fällt der „Avengers“-artige Score von André Dziezuk („Colonia Dignidad“) positiv auf, der wunderbar passt und genauso gut einen Thriller für Erwachsene untermalen könnte.
 
„Invisible Sue“ ist aber keineswegs nur gut gemacht, sondern überzeugt auch inhaltlich. Es geht um Themen wie Mobbing und Freundschaft, die Kinderfilme zwar oft, aber selten so eingängig und charmant verhandeln. Der sympathische Cast um Ruby M. Lichtenberg, Anna Shirin Habedank und Lui Eckardt steht dem hohen filmischen Niveau in nichts nach. So lässt das liebevoll in Szene gesetzte und sehr unterhaltsame Abenteuer handelsübliche Kinderfilme aus Deutschland ziemlich alt aussehen. Und wie schön es erst sein muss, den Film als Kind zu sehen!
 
Christian Horn