Sunburned

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Nachdem sie in „Endzeit“ die Folgen einer globalen Umweltkatastrophe auslotete, beschäftigt sich Caroline Hellsgard in ihrem dritten Film „Sunburned“ mit einer intimeren Katastrophe: Dem Teenagersein. Sie zeigt die 13jährige Claire, die sich im Laufe eines Familienurlaubs in Spanien von ihrer Mutter und Schwester emanzipiert und dabei auch noch mit der Realität von Flüchtlingen konfrontiert wird.

Webseite: www.camino-film.com

Deutschland/Polen 2019
Regie & Buch: Caroline Hellsgard
Darsteller: Zita Geier, Gedion Odour Wekesa, Sabine Timoteo, Nicolais Borger, Flora Li Thiemann, Malik Blumenthal
Länge: 92 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: 2.7.2020

FILMKRITIK:

Irgendwo am spanischen Mittelmeer verbringt die Familie den Urlaub: Die 13jährige Claire (Tita Geier), ihre ältere Schwester Zoe (Nicolais Borger), dazu die Mutter Sophie (Sabine Timoteo). Der Vater ist zu Hause geblieben, die Familie scheint nicht nur deswegen am Rand der Auflösung, ohne Halt und Nähe.

Während sich die Mutter mit einem Animateur vergnügt, bandelt auch Zoe mit einer Urlaubsbekanntschaft an und fühlt sich umso mehr von ihrer jüngeren Schwester genervt, die für sie noch ein Kind ist. Völlig auf sich allein gestellt zieht sich Claire immer mehr zurück, macht einsame Spaziergänge am Strand, bis sie schließlich den aus Senegal stammenden Amram (Gedion Odour Wekesa) kennen lernt. Das Flüchtlingskind schlägt sich mit dem Verkauf von Sonnenbrillen und Ähnlichen durch, hofft jedoch vor allem darauf, mit seinem Vater vereint zu sein, der im Senegal zurückgeblieben ist.

Langsam entwickelt sich zwischen Claire und Amram eine Beziehung, die irgendwo im unbestimmten, weitläufigen Bereich zwischen Freundschaft, Neugier, Vergucken und auch Ausbeutung angesiedelt ist. Denn Geld ist immer im Spiel, anfangs ein paar Euro, später auch die gestohlene Kreditkarte der Mutter, mit der Claire Amram aus der Bredouille helfen will. Bald jedoch wird Claire ihre Hilflosigkeit bewusst, beginnt sie zu verstehen, dass ihre kleinen Probleme nichts sind, im Vergleich zu der existenziellen Not, in der sich Amram befindet. Und so trifft sie eine folgenschwere Entscheidung.

Klassisches Terrain des deutschen Kinos betritt Caroline Hellsgard mit ihrem dritten Film, erzählt eine typische Coming-of-Age-Geschichte, das langsame, komplizierte Loslösen eines jungen Menschen von den Eltern, bzw., wie in diesem Fall, von der dominanten Mutter, die mit ihren eigenen (Ehe-)Problemen beschäftigt ist.

Was der Geschichte eine ungewöhnliche, auch zeitgeistige Note verleiht, ist die Verflechtung mit der aktuellen Flüchtlingsthematik. Ein wenig erinnert „Sunburned“ da an Sebastian Schippers „Roads“, der ebenfalls von der Freundschaft zwischen einem Europäer und einem Afrikaner erzählte; in manchen Momenten mag man aber auch an dem „Liebe“-Teil von Ulrich Seidls Paradies-Trilogie denken. Dort ging es um die so genannten Lover-Boys, junge Männer am Strand von Kenia, die sich weißen, westlichen Touristinnen andienen. Um Sex geht es in „Sunburned“ natürlich nicht, aber die monetären Verhältnisse sind auch in der zarten Beziehung, die sich zwischen Claire und Amram entwickelt, stets präsent.

Immer wieder wird Geld gewechselt, immer wieder deutet Hellsgard an, wie sich angesichts der ungleichen Verhältnisse zwischen der Deutschen und dem Senegalesen die Frage stellt, ob es sich um wahre Emotionen handelt oder doch um eine Ware. Einmal mehr erweist sich Hellsgard auch in ihrem dritten Film als genaue Beobachterin von Zwischentönen, bleibt diesmal stilistisch zwar hinter den spannenden Experimenten der Zombie-Apokalypse „Endzeit“ zurück, aber etabliert sich als eine der interessantesten Erzählerinnen ihrer Generation.

Michael Meyns