Zoros Solo

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Gelungene Integration via Chor-Gesang. Das ist die Ausgangssituation von Martin Buskers Debütfilm „Zoros Solo“, der im ländlichen Baden-Württemberg Migranten auf Vorurteile treffen lässt und dank eines überraschenden Hauptdarsteller-Duos manche allzu gutmenschelnde Attitüde vergessen lässt.

Webseite: nfp-md.de

Deutschland 2019
Regie: Martin Busker
Buch: Martin Busker & Fabian Hebestreit
Darsteller: Andrea Sawatzki, Mert Dincer, Laurids Schürmann, Robert Kuchenbuch, Hadi Khanjanpour, Elmira Rafizadeh, Michel Benthin
Länge: 90 Minuten
Verleih: NFP
Kinostart: 24. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Im beschaulichen, fiktiven Ort Liebigheim in Baden-Württemberg wird die deutsche Willkommenskultur groß geschrieben. Zumindest beim Pfarrer, der selbst seine Kirche für Asyl-Bewerber geöffnet hat. Die Chor-Leiterin Frau Lehmann (Andrea Sawatzki) ist dagegen wenig begeistert davon, dass nach der Schul-Aula, nun auch die andere Möglichkeit zur Probe besetzt ist.
 
In der Schule leben unter mehr als beengten Verhältnissen Flüchtlinge, darunter der 13jährige Afghane Zoro (Mert Dincer) und seine Familie. Doch einer fehlt: Der Vater, der während der Flucht zurückbleiben musste und in Ungarn gestrandet ist. Wie es der Zufall will, findet genau dort ein Chorwettbewerb statt und so fasst der findige Zoro einen Plan: Er will Teil des Chors werden, nach Ungarn fahren und seinen Vater nach Deutschland schmuggeln.
 
Dass Frau Lehmann wenig begeistert von dem neuen Sängerknaben ist, liegt auf der Hand, zumal ihr Zoro schon vorher sauer aufgestoßen war: Zoro hatte zusammen mit seinen Freunden versucht, den Chorknaben Julian (Laurids Schürmann) seiner neuen Schuhe zu entledigen, was Frau Lehmann dazu brachte, ihn bei der Polizei zu melden. Dort ist Zoro kein Unbekannter, denn auch wenn er ausgesprochen clever ist, hat er seine Energie bislang vor allem darauf verwendet, negativ aufzufallen.
 
Ein zeitgemäßes Thema hat Co-Autor und Regisseur Martin Busker sich für seinen Debütfilm ohne Frage ausgesucht: Die Integration von Flüchtlingen beschäftigt viele Menschen, gerade in kleineren Orten Deutschlands, in denen Migranten aus Syrien oder Afghanistan schon äußerlich besonders auffallen. Gerade die Kontraste zwischen Kleinstadt-Leben (und oft auch Mief) und einer ganz anderen Kultur bietet viel Potential für eine Culture-Clash-Komödie. In diese Kerbe versucht auch Busker zu schlagen, skizziert dabei oft jedoch arg stereotyp, deutet Vorurteile und Hilfsbereitschaft ebenso oberflächlich an wie das Machoverhalten der männlichen Flüchtlinge, besonders das des erst 13jährigen Zoro.
 
Zum Glück hat er mit dem Debütanten Mert Dincer einen guten Typen gecastet, der zwar gerade in emotionaleren Szenen an seine Grenzen als Schauspieler stößt, aber immer dann überzeugt, wenn er einfach der ebenso prollige wie selbstbewusste Junge sein kann, der alles tut, um seinen Vater zu sich nach Deutschland zu holen.
 
Wie ihm das gelingt ist dann zwar wieder naiv und schematisch erzählt, wie vieles in einem Film, der sich oft unbestimmt zwischen Flüchtlingsdrama und Klamotte bewegt. Doch immer dann, wenn Zoro auf sein Gegenüber, die Chor-Leiterin Frau Lehmann, trifft, entstehen überzeugende Momente. Der Arroganz, aber auch dem Charme Zoros steht die von Andrea Sawatzki verkörperte Frau Lehmann gegenüber, die ihre ganze Energie in den Chor steckt, doch hinter ihrer strengen Fassade ein weiches Wesen offenbart.
 
Diesem so unterschiedlichen Duo beim gegenseitigen beharken zuzusehen ist das größte Vergnügen in einem Film, der sich ansonsten etwas zu sehr darauf beschränkt einen naiven, stereotypen Blick auf Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen zu werfen.
 
Michael Meyns