Im Iran gilt Tanzverbot. Das hält eine kleine Gruppe aus Tänzerinnen und Tänzern allerdings nicht davon ab, in einem geheimen Kellerstudio mitten in Teheran zu proben. Sarvnaz Alambeigi porträtiert sie in ihrem inhaltlich interessanten und mutigen Dokumentarfilm „1001 Nights Apart“, in dem auch das Ex-Ensemble des früheren iranischen Nationalballetts zu Wort kommt. Auf dem Dokfest München 2022 erhielt der Film den VFF-Produktionspreis.
Webseite: www.realfictionfilme.de/1001-nights-apart.html
Deutschland/Iran/USA 2021
Regie & Drehbuch: Sarvnaz Alambeigi
Laufzeit: 83 Min.
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 21. Juli 2022
FILMKRITIK:
Vor der Titeleinblendung verweist „1001 Nights Apart“ auf die persische Märchenfigur Scheherazade, die Geschichten erzählen musste, um ihr Leben zu retten. Ähnlich geht es der Untergrund-Tanzgruppe aus Teheran, die trotz striktem Tanzverbot ihre Leidenschaft lebt. In ihren Choreographien drücken sie Perspektivlosigkeit, Frust und Angst aus, aber auch Hoffnung und Lebenslust. Sarvnaz Alambeigi hat die Gruppe zwischen 2017 und 2021 begleitet. Parallel besucht die Regisseurin das inzwischen hochbetagte Ensemble des ehemaligen iranischen Nationalballetts, das bis zur Islamischen Revolution von 1979 ganz offiziell in aller Welt auftrat.
Rein inhaltlich ist „1001 Nights Apart“ ein spannendes Dokument. Dass der engagierte Film unter Inkaufnahme einer möglichen Bestrafung entstand, wird von den Mitwirkenden nicht nur explizit thematisiert, sondern ist durchweg spürbar. Es geht um das wechselseitige Vertrauen der illegalen Ausdruckstänzer/-innen, ihre Motivationen und ihren Blick auf die iranische Gesellschaft, um Religion, Frauenrechte und Zukunftsträume. Als die Gruppe nach Rotterdam eingeladen wird, durchkreuzen weltpolitische Wirrungen die Pläne – aber das Tanzen lassen sie sich nicht verbieten.
Zwischen die Impressionen von den Straßen Teherans und jene aus dem Kellerstudio montiert Sarvnaz Alambeigi Text- und Bildmaterial zur Geschichte des Nationalballetts. Hier und bei den Talking Head-Interviews ist „1001 Nights Apart“ recht herkömmlich umgesetzt. Auch der häufige Musikeinsatz schafft abseits der Tänze keinen Mehrwert, sondern doppelt lediglich die gerade melancholische oder frohe Stimmung. Die Umsetzung wird dem progressiven Inhalt kaum gerecht, insgesamt überwiegt aber das Gewicht des Themas. Und bisweilen entstehen dem Stoff gemäße Momente. Das filmische Herzstück sind die fesselnden Solo-Performances, in denen die Tänzer/-innen ihre Emotionen expressiv ausdrücken. Die Aufnahmen sind statisch gefilmt – und doch bewegen sich in ihnen ganze Lebenswelten.
Christian Horn