2 Automnes 3 Hivers – 2 Herbste 3 Winter

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Eine verspielte Verbeugung vor der Nouvelle Vague und gleichzeitig eine treffende Variation moderner Muster der romantischen Komödie ist Sébastien Betbeders „2 Automnes 3 Hivers“. Mit einfachsten Mitteln gedreht, gefilmt auf 16mm, getragen von viel Gespür für die beruflichen und amourösen Bedürfnisse seiner Generation überzeugt der Film durch viel Witz und Originalität.

Webseite: www.dejavu-film.de

Frankreich 2014
Regie, Buch: Sébastien Betbeder
Darsteller: Vincent Macaigne, Maud Wyler, Bastien Bouillon, Audrey Bastien, Thomas Blanchard, Pauline Etienne
Länge: 91 Minuten
Verleih: déjà-vu Film
Kinostart: 3. Juli 2014
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FILMKRITIK:

Arman (Vincent Macaigne) ist gerade 33 geworden, hat sein Studium beendet, weiß aber immer noch nicht wohin mit seinem Leben. Zumindest will er dem körperlichen Verfall Einhalt geben und beginnt zu Joggen. Dabei trifft er eines Tages auf Amelie (Maud Wyler), die ihm bald nicht mehr aus dem Kopf geht. Ein paar Wochen später beobachtet Arman wie Amelie in einer Gasse bedroht wird. Er greift heldenhaft ein, wird zwar verletzt doch der Beziehung mit Amelie scheint nichts mehr im Wege zu stehen.

Zur gleichen Zeit erleidet Armans Freund Benjamin (Bastien Bouillon) – man kennt sich von der Kunsthochschule – einen Schlaganfall und liegt im Krankenhaus. Dank der Pflege durch die Physiotherapeutin Katia (Audrey Bastien) geht es ihm bald besser und so findet auch Benjamin eine Freundin. Doch ganz so einfach macht es das Schicksal den beiden Paaren nicht.

Auf dem Papier liest sich die nackte Inhaltsangabe von Sébastien Betbeders „2 Automnes 3 Hivers“ wie einer von unzähligen romantischen, etwas melancholischen französischen Liebesfilmen. Doch schon nach wenigen Minuten wird deutlich, dass es einmal mehr die Form ist, die einen Film interessant macht. Betbeder unterteilt seinen Film in unzählige Kapitel, von denen manche nur 20 oder 30 Sekunden lang sind und eine der Hauptfiguren zeigt, wie sie direkt in die Kamera spricht und über sich und ihr Leben sinniert.

Manchmal berichten sie von weit zurückliegenden Ereignissen, die sie prägten, mal von gerade erst geschehenen Begegnungen, mal von dem, was sie tuen werden. Doch immer ist der Effekt, dass dramatische Momente dezidiert nicht gezeigt werden. Ganz pragmatischerweise mag das sicherlich dem geringen Budget geschuldet sein, mit dem Betbeder augenscheinlich auskommen musste, doch es führt auch so einer gleichmäßigen Erzählfluss, der nicht durch betont dramatische Momente unterbrochen wird. Stattdessen hört man die Figuren reflektieren und ist dadurch ihren Gedanken und Gefühlen besonders nah.

Fraglos hilft es, dass Betbeder ein ausgesprochen sympathisches Quartett von Schauspieler zur Verfügung hat, die unterschiedliche Aspekte der Selbstfindung darstellen. Zudem ist sein Film enorm reich an Verweisen an die Film- und Kunstgeschichte, werden Ausschnitte aus alten und neuen Filmen eingeblendet, sind Kunstwerke zu sehen, Zitate aus literarischen Werken zu hören. Doch nie verfällt Betbeder dabei in bloße Zitatenspielerei, nie werden die vielen Verweise zum Selbstzweck.

So wie seine Figuren auch, lebt Betbeder in einer Welt, in der kulturelle Inspiration allgegenwärtig ist und dementsprechend auch das Denken und Fühlen formt. Wenn da Arman und Benjamin gemeinsam ins Kino gehen und anschließend begeistert und berührt über den gerade gesehenen Film diskutieren, ist die Nouvelle Vague ganz nah. So wie die Gruppe von Filmkritikern und späteren Regisseuren Kino und Leben verknüpfte, so tut es auch Betbeder, so tun es auch seine Figuren. Diese Verspieltheit, gepaart mit einer nie ganz vergehenden Melancholie lassen „2 Automnes 3 Hivers“ zu so einem schönen Film über das Leben und die Liebe werden.
 
Michael Meyns