20.000 Arten von Bienen

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Estibaliz Urresola Solagurens Film war auf der Berlinale vielfach nominiert, den Silbernen Bären gab es für die junge Hauptdarstellerin Sofía Otero. Solagurens einfühlsame und sensible Geschichte um ein Kind, das auf Identitätssuche ist, damit aber auch an die Grenzen dessen stößt, was sein Umfeld als richtig oder falsch betrachtet, ist ein zurückhaltender, sehr gelungener Film, der hin und wieder etwas zu sehr ins Offensichtliche abdriftet.

Webseite: https://dcmstories.com/movie/20-000-arten-von-bienen/

20.000 especies de abejas
Spanien 2022
Regie: Estibaliz Urresola Solaguren
Buch: Estibaliz Urresola Solaguren
Darsteller: Sofía Otero, Patricia López Arnaiz, Ane Gabarain

Länge: 130 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 29. Juni 2023

FILMKRITIK:

Die achtjährige Coco lehnt ihren Geburtsnahmen Aitor ab – weil er männlich ist. Aber Coco genannt zu werden, fühlt sich auch nicht ganz richtig an. Bei einem Sommerurlaub im Baskenland vertraut sich das Kind seiner Tante an, die als einzige den seelischen Aufruhr in Coco wahrnimmt, während alle anderen nicht nur ihren eigenen Problemen nachhängen, sondern einem binären Gender-Verständnis folgen, das einfach nicht universell angewandt werden kann. Während Cocos Mutter mit den eigenen Sorgen ringt, muss sie auch damit zurechtkommen, dass ihr Kind auf Identitätssuche ist.

Estibaliz Urresola Solagurens Drehbuch ist gut – ihr Film ist es auch. Der Titel bezieht sich darauf, dass es eine fast schon unendlich anmutende Anzahl von Bienenarten gibt, die alle ihren Platz und ihre Notwendigkeit auf dieser Welt haben. Sie dienen als Metapher für die Menschen, auch dafür, dass man in dieser Welt sein kann und soll, wer man sein will. Die Grenzen dessen, was die Gesellschaft oktroyiert, werden immer weiter aufgeweicht. Sicher, es gib die Ewiggestrigen, die wollen, dass alles ist, wie es immer war. Aber Leben ist Veränderung. Entwicklung ist der natürliche Zustand. Stillstand führt ins Verderben.

Ein Film wie „Oskars Kleid“ mag plakativer und damit vielleicht auch nahbarer sein, hat das Thema aber doch auch sensibel und einfühlsam aufgegriffen. Ähnliches gilt für „20.000 Arten von Bienen“, nur dass Solaguren deutlich subtiler erzählt. Sie lässt sich auch die Zeit, die Figuren, aber auch ihre Umwelt sich entwickeln zu lassen. Nur hin und wieder ist sie sich ihrer eigenen Erzählweise unsicher, dann lässt sie die Subtilität zugunsten deutlichen Symbolismus fallen. Das unterminiert den Film ein wenig, weil man durchaus das Gefühl hat, dass er kraftvoll genug ist, um das Offensichtliche nicht zu benötigen. Mehr noch, er unterschätzt dabei auch das Publikum, das durchaus in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen.

Und doch ist das Jammern auf hohem Niveau, weil „20.000 Arten von Bienen“ mehrheitlich auf das Erwartbare verzichtet und stattdessen eine Geschichte zu erzählen hat, die nicht nur die Suche nach dem eigenen Ich in den Fokus rückt, sondern auch aufzeigt, wie Veränderung im Kleinen beginnt, aber in immer größeren Kreisen nachwirkt.

 

Peter Osteried